Nutzung nach WK1

…. keine Flugzeuge, was nun?


Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der damit verbundenen Auflösung des Militärflugplatzes waren auf dem Werftgelände folgende Gebäude laut einer Beschreibung der Gebäudebrandversicherung frei geworden

  • 2. stöckiger Flügelanbau 36,25 m X 13,15 m aus Stein und abgewalmten Dachaufbau, erbaut 1918
    • UG Kohlen und Lagerraum
    • EG Werkstatt für Rumpfbau, 1 Abstellraum, 2 Lagerräume und Treppenhaus, Werkstatt mit Motorenreparatur, 1 Raum für Flughafenmeister, 2 Funkräume, 1 Raum für das Polizeibüro, 1 Raum für funk- und Fernschreibvermittlung, 1 Dunkelkammer, 3 Büroräume, 1 Wartezimmer, 1 Vorplatz, 1 Abortanlage
  • 2.stöckiger Flügelanbau 36,25 m X 13,15 m aus Stein und abgewalmten Dachaufbau, erbaut 1918
    • UG 2 Lagerräume
    • EG Speiseraum, 1 Durchgang, 1 Mannschaftsstube, 1 Abortanlage, 1 Schlafraum, 1 Kleiderablage, 1 Lagerraum
  • 1.stöckiger Zwischenbau aus Stein und Pultdach angebaut 49,8 m X 6,5 m
    • UG 1 Heizraum und Holzlager
    • EG 1 Raum für Motorenkontrolle, Heizraum und je ein Raum für Sattler, Flaschner- und Schreinerwerkstätten
  • dazwischen 1.stöckige Flugzeughalle aus Stein unter flachem Satteldach 29,8 X 27.9 m
    • UG 1 Magazin
    • EG 1 Arbeitshalle

Im Gelände-Inventar vom November 1919 findet sich folgende Bemerkung „Von besonderem Wert war das Werftgebäude samt Kläranlage, das massiv konstruiert und dessen Dach mit Pfannenfalzziegel gedeckt war“. Die Gebäude waren jetzt leer und die Beschäftigten des Militärflughafens arbeitslos, da alle Flugzeuge aufgrund des Versailler Vertrages vernichtet werden mussten.  Die Stadt Böblingen verfolgte jetzt den Weg der Industrieansiedlung. Dazu Aufzeichnungen von Dr. Daniel Kirn: Zur Ausweitung ihrer Produktion in Sindelfingen zeigte u.a. die Firma „Libelle“ (siehe weiter unten) Interesse, die Kleinautos in Serie bauen wollte.

Die im Protokoll genannte „Libelle Klein-Auto-Fabrik“ stellte von 1920-1922 im Ortszentrum von Sindelfingen

Die im Protokoll genannte „Libelle Klein-Auto-Fabrik“ stellte von 1920-1922 im Ortszentrum von Sindelfingen einen Kleinwagen her,  der von einem 4/10-PS-Motor (1,0 l Hubraum, 10 PS – 7,4 kW Leistung) angetrieben wurde.

Am 8. Oktober 1920 wurde der Geheime- und Kommerzienrat Dr. Philip Wieland in Ulm, im Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, davon in Kenntnis gesetzt, dass ab sofort mit der Firma „Libelle“ über eine Ansiedlung in der Böblinger Werfthalle verhandelt werden könne. Die Verhandlungen scheiterten jedoch, weil die Firma „Libelle“ den ganzen Platz samt Werftgelände kaufen wollte und somit ihren Firmensitz nach Böblingen verlagern würde. Die Verpachtung des Werftgebäudes und seiner Einrichtungen wollte sich jedoch das Reichsschatz-Ministerium vorbehalten. Die Stadt Böblingen wollte dies allerdings nicht hinnehmen,“ Die Libelle wäre der geeignete Kandidat und Mieter, da die Autoindustrie so eng mit der Flugzeugindustrie verbunden ist, dass es, wie bei der DMG in Sindelfingen lange Zeit üblich, möglich wäre, nebenbei Flugzeuge zu reparieren und neu zu bauen“. Doch die Stadt Böblingen zog den Kürzeren.

Nachdem der Versailler Friedensvertrag in Kraft getreten ist, haben leider noch geführte eingehende Verhandlungen mit der interalliierten Kontrollkommission für die Luftfahrt, welche bezweckten, die Hallen dem deutschen Wirtschaftsleben zu erhalten, zu keinem Erfolg geführt. Die Entente hat den Abbruch sämtlicher Hallen gemäß Spa-Abkommen angeordnet und die Wiedergutmachungskommission beauftragt, die Hallen auf Abbruch zu verkaufen. (Ba R 2/8708, 17,August 1920 / 26,August 1920). Alle Gebäude wurden zum Verkauf ausgeschrieben, aber sonderbarerweise schon durch Kaufvertrag am 17. August 1920 an die Firma Carl Jänisch, Berlin-Wilmersdorf als Bevollmächtigter der belgischen Firma Doyen & Söhne, Fabrik für Landmaschinen, übertragen. Es folgten lange Auseinandersetzungen mit den entsprechenden Behörden, nachdem offenkundig wurde, dass es bei dem Kaufvertrag nicht mit rechten Dingen (bis hin zur Urkundenfälschung) zuging.

Am 26. Februar 1921 kaufte Ing. Franz Sonnleithner, Böblingen, einen Teil des Geländes eine Flugzeughalle, nämlich die Werft, dazu ein Heizungs- und Transformatorenhaus mit einem Umfang von 4 ha und 14 a für einen Betrag von 550000 Mark von der Reichsschatz-Verwaltung. Die Böblinger Werft wird als AG gegründet und Franz Sonnleithner dessen Vorstand und als „Böblinger Werft A.G“ ins Grundbuch eingetragen (Notariats-Vertrag i. BA R 2/5590). Sonnleithner hatte zuvor die Verhandlungen, mit der Firma „Libelle“, geführt. Die Verhandlungen zeigten aber kein Ergebnis und so hatte er nach dem Abbruch der Flugzeughallen kein Interesse mehr daran. Sonnleithner verlegte er sich nun auf die Gründung der Böblinger Werft A.G. Dies erklärt, warum im Verkaufsvertrag von einer „erst noch (zu) gründenden Aktiengesellschaft“ die Rede ist. Die Werft A.G. wurde aber bereits im Oktober 1920 als eine „in der Gründung befindliche AG“ genannt. Nachdem sich die Chancen der Firma „Libelle“ nicht verwirklichen ließen, wurde die Werft A.G. gegründet. Eine kurze Zeit liefen vermutlich beide Firmen parallel, möglicherweise war auch eine personelle Identität über Sonnleithner und Langenberger hinausgegeben.

Laut Böblinger Bote vom 25. April 1921 wurde die Werft A.G. am 13. April 1920, dann am 4. Oktober 1920 und wiederum am 28. Februar 1921 gegründet. Zumindest das letzte Datum ist keine Gründung, sondern das Datum des Grundstückskaufs. In das Handelsregister eingetragen wurde die Firma schließlich am 20. April 1921. Im Januar 1921 begann die Werft A.G. mit der Produktion von Maschinenteilen und landwirtschaftlichen Maschinen durch die Gesellschafter-Firma Merker & Sohn. Als Werksmeister waren Johannes Heilig aus Böblingen und Herr Schumacher aus Sindelfingen angestellt.


In einer Ausschusssitzung des Reichstags im Februar 1921 wurde die Petition einer Bürgerversammlung in Schönbuch und einer Gemeinderatssitzung in Böblingen verhandelt, die um Ansiedlung leistungsfähiger Industriewerke auf dem stillgelegten Flugplatz bei Böblingen bittet. Vermutlich war der Maschinenfabrikant Frova aus Mailand ein weiterer Aktionär, denn von diesem erwarben die Schwäbischen Hüttenwerke (SHW) nach einer stürmischen Generalversammlung im Januar 1924 die Aktienmehrheit an der Böblinger Werft A.G.