Paul Strähle

… mit „Böblinger“ Flugzeugen begann der erste private Passagierflug in Deutschland

Quelle (HA STG M709 Nr.121)

Paul Strähle, 1893 in Schorndorf bei Stuttgart geboren, interessierte sich schon als Jugendlicher für Technik, vermutlich geprägt durch Vater und Großvater. Sie eröffneten  1898 in Schorndorf ein Fahrradgeschäft und 1900 eine Motorradvertretung. So wundert es nicht, dass Paul Strähle von 1909 bis 1911 die Technische Hochschule in Schwenningen besuchte. Im Anschluss volontierte er bei der Firma NSU und war dort bis 1913 in der Versuchsabteilung und als Einfahrer für Motorräder und Automobile tätig.

Strähle ging im Oktober 1913 als Einjährig-Freiwilliger zu den Luftschiffern und gehörte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Besatzung des Luftschiffes Zeppelin „Z VII“ an. 1915, bereits zum Leutnant befördert, erfolgte seine Ausbildung zum Piloten. Strähle flog zunächst 1916 als Aufklärer und ab 1917 als Jagdflieger. Er kam in die Jagdstaffel 18 von Hauptmann Berthold. Vom 1. Januar bis zum 27. September 1918 war Strähle Staffelführer der Jagdstaffel 57. Mit 14 Abschüssen und hohen Auszeichnungen endeten für ihn der Weltkrieg und damit die Jagdfliegerei, aber nicht der Wunsch zu fliegen.

Paul Strähle 5.v.l (Führer Jagdstaffel 57)

Aus dieser Zeit ein Film mit Paul Strähle in der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg

So entschloss sich Strähle im Sommer 1919 zur Gründung des „Luftverkehr Strähle“, mit dem Ziel Passagier-, Post-, Schau- und Fotoflüge durchzuführen. Zu diesem Zweck erwarb er vom ehemaligen Flughafen Böblingen drei entmilitarisierte Flugzeuge vom Typ Halberstadt CL IV von der Reich-Treuhandstelle, weil ihm diese für zivile Zwecke geeignet erschienen. Doch nach den ersten Probeflügen im Juli mit den neuen Maschinen und seiner Zulassung als Flugzeugführer im Luftverkehr am 17. Oktober 1919 war plötzlich alles zu Ende. Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages durfte Strähle aber diese gar nicht besitzen. Die Flugzeuge wurden beschlagnahmt und erst 1920 konnte Strähle sie zum zehnfachen Kaufpreis von der Reparationskommission freikaufen. Hoch verschuldet, rüstete Strähle die im 1. Weltkrieg als Aufklärer und Erdkampfflugzeug eingesetzten Maschinen zu Passagier- und Postflugzeugen um.

Das folgende Foto muss noch aus der Zeit vor der Zulassung stammen. Es zeigt eines der Flugzeuge (Robert Schulte)

Sie erhielten die Zulassungen D-71, D-111 und D-144.

Strähle Luftverkehr drei Flugzeuge Canstatter Wasen cut
alle Maschinen vor dem Gebäude des württembergischen Flugsport-Klubs auf dem Stuttgarter Wasen)
Das Gebäude wurde 1912 erbaut:
Ab 1926 war im Gebäude das Labor für Luft- und Kraftfahrzeugwesen der Technischen Hochschule Stuttgart untergebracht

Halberstadt CL IV D-71

Trotz größter Bedenken wurde ihm als einzigem deutschen Privatunternehmer vom Reichsluftamt Berlin 1921 die Konzession zunächst für die Fluglinie Stuttgart-Konstanz erteilt. Am 3. Januar 1921 um 11.19 Uhr startete Flugpionier Paul Strähle mit D-71 zum ersten Flug vom Cannstatter Wasen. Damit war Stuttgart – über Konstanz – an das deutsche und internationale Flugnetz angeschlossen.

03.01.1921 - Eröffnung des Flugpostverkehrs Konstanz-Stuttgart

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Damit begann auf rein privater Basis der zivile Luftverkehr in Deutschland

In einem zeitgenössischen Zeitungsartikel wird berichtet: Punkt 11.15 Uhr erfolgte der Abflug von H.Euting als Begleiter von Strähle. Die Fahrt ging in direkter Luftlinie über die Filderhochebene auf Reutlingen zu, wobei gleich am Albrand kräftige Fallböen einsetzten, sodass der Flugzeugführer von den Steuerorganen kräftig Gebrauch machen musste. Weiter ging der Flug von wenigen hundert Metern teils durch tief hängende Wolken mit schöner Sicht auf das Donautal über das prächtige Sigmaringen hinweg. Dann mit Kurs auf Überlingen über ausgedehnte Waldungen dem Bodensee zu, der bei Überlingen überquert wurde, mit reizendem Blick auf die Insel Mainau. Da stellenweise ein ungemein starker Gegenwind einsetzte, kam das Flugzeug mit etwa vier Minuten Verspätung in Konstanz an, dort freudig begrüßt von Vertretern der Stadt und der Behörden. Fahrplanmäßig erfolgte dann 12.45 Uhr wieder der Abflug von Konstanz, und ebenso planmäßig um 14.15 Uhr die Ankunft im Flughafen auf dem Cannstatter Wasen.

Im 1. Luftkursbuch der deutschen Luftredeerei (DLR) vom Juli 1921  war die Ankunftszeit in Konstanz nach der Abflugzeit nach Stuttgart …und im Flugplan 6 des Lloyd-Luftdiensts Bremen vom August 1921 war die Differenz noch krasser.

Da glaubt man doch eher an die Konstanzer Abflugzeit um 12.45 Uhr in der Werbung. In der Zeit vom 15. Juni bis zum 31. Juli wurden versuchsweise auch gewöhnliche Briefsendungen befördert, bevorzugt Eilsendungen. Vom 3. Januar bis zur Einstellung der Fluglinie am 31. Oktober 1921 fanden auf dieser Linie insgesamt 630 Flüge statt, außerdem beförderte man außer Flugpost auch ca. 700 Passagiere. Die Flugzeugführer waren Paul Strähle und Otto Hermann Wieprich, im I.WK Jagdflieger in der Jasta57.

Otto WieprichOtto Wieprich

1921-10-26 Stuttgart-Konstanz (Ganzhorn)

Ende 1921 wurde mit dem Reichspostministerium vereinbart, diese Linie, die ursprünglich bis Zürich gehen sollte, aber von den Alliierten nicht genehmigt worden war, mit der Linie Stuttgart-Nürnberg zu tauschen. Ab dem 1. April 1922 bis zur Inflation 1923 beflogen dann Strähle und seine beiden Piloten Wieprich und Müller nur noch die neue Strecke. 

Leider keine bessere Auflösung
Aus dieser Zeit dürfte auch diese Aufnahme vom Flughafen Nürnberg Atzenhof stammen (2. von rechts)

Bemerkung: Im Buch „Böblingen-Fliegerstadt und Garnison“ (Ernst Funk, 1973) wird Böblingen als Abflughafen für Stuttgart genannt. Böblingen war aber nur der Ersatz-Flughafen für Stuttgart, wenn dort besondere Umstände – wie z.B. Nebel – den Start von Flugzeugen nicht zuließen.

Zwei Jahre lang führte „Luft-Verkehr-Strähle“ den Luftpost- und Passagierdienst mit größter Regelmäßigkeit ohne nennenswerte Unfälle durch. In dieser Zeit wurden 825 Passagiere und 5.235 Kilogramm Post transportiert und insgesamt 119.712 Flug-Kilometer zurückgelegt. Schon 1923 musste der Flugpionier sein Unternehmen dichtmachen, die Lufthansa bekam das Monopol für den gesamten deutschen Luftverkehr. Mit dem Ende des Flugdienstes wurde auch die D-71 außer Dienst gestellt und bis 1960 in Schorndorf eingelagert. Dann ausgelagert, die dunkelbraune Originalfarbe und durch hellblaue ersetzt. Ausstellung Daimler-Benz Museum Stuttgart von 1960 bis 1981, und von 1981 bis 1995 im Automuseum Langenburg.

Langenburg

ab 2005 in der Technikgalerie in Schorndorf.

ab 2005-01-20 in Schorndorf
Schorndorf
2010 Umzug von Schorndorf nach Berlin
im Depot

Halberstadt CL IV D-111

wurde im Juni 1924 verkauft und bald danach ausgemustert.


Halberstadt CL IV D-144

Fotos aus dem Buch „Die Halberstadt CI. V D-IBAO“ (Marian Krzyan/Holger Steinle 1992)

Anfang 1921 Cannstatter Wasen
Bruchlandung Flugplatz Nürnberg-Atzenhof, ca. 1920
Bruchlandung Flugplatz Nürnberg-Atzenhof, ca. 1920
1920er-Bruchlandung
in der Schorndorfer Werkstatt
Strähle nahm an zahlreichen Flugtagen mit Rundflügen und Fallschirmabsprüngen teil, hier Fallschirmspringer Gerst bei einem Flugtag in Pforzheim

Bemerkung: Gerst aus München wollte am 22. Mai 1925 von einem Flugzeug auf dem Flugplatz Schleißheim aus etwa 500 m Höhe mittels von ihm gebauten Fallschirm abspringen. Dabei blieb der Fallschirm am Flugzeug hängen, während der Gürtel, den Gerst um den Leib trug, zerriss, sodass er in die Tiefe stürzte und tot auf dem Platze liegen blieb. 

März 1932 Notlandung auf dem Kniebis (bei Freudenstadt)

Aber bald verlegte Strähle sein Geschäft ausschließlich auf die Anfertigung von Luftbildern. Bis 1938 wurden fast 60.000 Aufnahmen gemacht, von denen ein Teil beschlagnahmt wurde und in Berlin verbrannte.

Paul Strähle mit Fotograf Grüberl Fotoflug 1924Paul Strähle mit seinem Werkstattleiter und Fotografen Karl Grübel auf einem Fotoflug 1924

Am 7. Mai 1935 erhielt die D-144 das neue Kennzeichen D-IBAO. Auf dem Foto ist noch die alte Lackierung zu sehen. Kurz danach wurde Maschine neu lackiert und erhielt das Hakenkreuz.
Paul Strähle am 2. August 1938 vor dem Hangar in Böblingen
Sohn Ernst Paul Strähle am 2. August 1938 vor dem Hangar in Böblingen

Am 25. September 1938 war dann unter Nr. F 241 der letzte Flug, da Paul Strähle wegen der Sudetenkrise seine Einberufung zur Luftaufklärung erhalten hatte und danach keine Fotoflüge mehr erlaubt waren.

Dann wurde die D-144 in Göppingen abgestellt, 1941 dort bei dem Einsturz eines Hangars zerstört und anschließend in einem Schuppen in Schorndorf eingelagert (hier 1975)

Anfang der 80er Jahre suchte Strähle für das Flugzeug eine dauerhafte Bleibe. Da aber in Deutschland kein Interesse bestand, wurde die Maschine 1982 nach den USA verkauft, kam aber 1989 wieder nach Deutschland, und wurde in Berlin restauriert.

…. der vordere Rumpfteil ist in Berlin eingetroffen und kann jetzt restauriert werden
Zwei Teile
neues Mittelstück wird eingesetzt
… und verkleidet
D-IBAO 2
Deutsches Technikmuseum Berlin
2018 Halberstadt CL IV D-IBAO Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Berlin-Gatow
2018 kam die Maschine als Leihgabe ins Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Berlin-Gatow und ist das älteste noch existierende deutsche Verkehrsflugzeug.

Jubiläum 50 Stg-Nü Strähle 1972-04-12 Hamburger Abendblatt - Strähle 1922 -2
Jubiläum 75 Stg-Konstanz Strähle 1996-01-04 Stg.Ztg 4.1.1996
Linie Stuttgart-Konstanz 75 Jahre Jubiläum
Paul Strähle

Eine Antwort zu Paul Strähle

  1. Peter Karr schreibt:

    Vielen Dank für diese interessante Abhandlung über den schwäbischen Flugpionier Paul Strähle. Heute, wo das Fliegen zur normalsten Sache der Welt geworden ist, können viele die grossartige Leistung, die Paul Strähle für die Fliegerei erbracht hat, gar nicht richtig ermessen. Wenn man historisch interessiert ist und sich mit der Entwicklung unserer Heimat befasst, dann wird man dem Schaffen von Paul Strähle immer wieder begegnen, denn mit seinen vielen Luftaufnahmen aus dem ganzen Land hat er uns ein einmaliges Zeugnis über die örtlichen Verhältnisse in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg bis 1938 hinterlassen.

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