Nach dem 1. Weltkrieg stellte sich die Frage, wie das Gelände und die Bauten des ehemaligen Miilitärflugplatzes genutzt werden könnten. Die erste Nutzungsüberlegung war die der Ansiedlung von Industrieanlagen. Nachfolgend der Schriftverkehr dazu in chronolischer Reihenfolge:
1920-08-30 Württembergischer Bevollmächtigter zum Reichsrat
In der Angelegenheit betreffend Überlassung der Flugzeughallen auf dem Flugplatz Böblingen an die dortige Stadtgemeinde, habe ich mich alsbald schriftlich und persönlich an die Wiedergutmachungskommission hier gewandt und die Bitte der Stadtgemeinde Böblingen dringend unterstützt. Der für die Suche zuständige Herr dieser Kommission, ein amerikanischer Major Busch teilte mir jedoch mit, der Verkaufsvertrag über die Flugzeughallen sei bereits vor zwei Wochen fest abgeschlossen worden. Die Käuferin sei eine von Herrn Jenisch vertretende Brüsseler Firma, die eben das höchste Gebot gemacht habe. Leider habe die Wiedergutmachungskommission nicht gewußt, dass sich auch die Stadtgemeinde Böblingen dafür interessiere. Auf meine Frage, ob denn nicht eine Rückgän- gigkeitmachung des Vertrages hinsichtlich der Böblinger Flugzeughallen möglich sei, wurde mir in verneinenden Sinne geantwortet. Major Bush meinte nur, er wolle die Sache in der Wiedergutmachungskommission noch einmal zur Sprache bringen und gegebenfalls weitere Mitteilung machen.
1921-03-03 Reichstagsprotokoll Nr. 1580 „Bericht des Ausschusses für Volkswirtschaft“
In der Ausschußsitzung vom 2.Februar 1921 wurde die Petition einer Bürgerversammlung in Schönbuch und einer Gemeinderatssitzung in Böblingen verhandelt, die um Ansiedlung leistungsfähiger Industriewerke auf dem stillgelegten Flugplatz bei Böblingen bittet..
Der Berichterstatter (Abgeordneter Käppler) trug die Wünsche der Petenten und ihre Begründung vor. Ein Regierungsvertreter gab hierauf folgende Erklärung ab:
„Auf dem Flugplatz bei Böblingen sind in gleicher Weise wie auch bei anderen reichseigenen Flugplätzen die Hallen von der Entente auf Abbruch verkauft worden, Die verbleibenden Reste der Flugplatzanlagen sollen erhalten und nach Möglichkeit verwertet werden. Es ist beabsichtigt, dieselben an Industrien abzugeben. Bisher hat sich die Automobil-Fabrik „Libelle“ *) um die Teile, welche bei der Werft liegen, interessiert. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, jedoch hat die Firma bereits mit ihre Einrichtungen begonnen. Es sind lediglich noch Preisdifferenzen zu klären. Weiterhin hat die Reichseisenbahn von dem Reichseisenbahnhof benachbarten Teil übernommen um dort in den vorhandenen Gebäuden Eisenbahn-Werkstätten einzurichten. Weiterhin sind Verhandlungen im Gange, Teile der Anlagen an eine größere Transport-Gesellschaft zu Lagerzwecken zu vermieten. Die Regierung hat sich bemüht, in den Anlagen Industrien unterzubringen, und wird auch weiterhin ihr Augenmerk darauf richten, daß die noch stehenden Anlagen im volkswirtschaftlichen Interesse verwertet werden“
Dem Antrag beider Berichtserstatter entsprechen, beantragt der Ausschuß: Der Reichstag wolle beschließen: die Eingabe betreffend Freigabe des Flugplatzes bei Böblingen zur Besiedelung leistungsfähiger Industriewerke, der Reichsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
*) Über die Firma „Libelle“ ist relativ wenig bekannt:
Die Kleinautofabrik GmbH war ein deutscher Automobilhersteller, der 1920–1922 in Sindelfingen ansässig war. Unter dem Namen Libelle entstand dort ein Kleinwagen, der von einem 4/10-PS-Motor (1,0 l Hubraum, 10 PS – 7,4 kW Leistung) angetrieben wurde.
Quelle: Stadtarchiv Sindelfingen
Passagierflughafen in Böblingen ??
Zwischenzeitlich ergab sich eine weitere Chance, das Flughafengelände einschließlich der Gebäude einer weiteren Nutzung zuzuführen, und zwar die der als Flugplatz im Passagierflugverkehr. Wohin der Weg letztendlich führen sollte, entschied sich erst vier Jahre später mit der Eröffnung des ersten planmäßigen Passagierflugs am 20.April 1925 vom späteren Landesflughafen Stuttgart-Böblingen.
1921-01-03 Paul Strähle erster privaten Linienflugverkehr in Deutschland
Das ermutigte die Landeshauptstadt Stuttgart zusammen mit weiteren Kräften des Landes über die Einbeziehung von Stuttgart bzw. Württemberg in den deutschen und den großen internationalen Luftverkehr zu beraten. 1921 waren in Deutschland schon sieben deutsche Luftverkehrsunternehmen zugelassen und zu Beginn des Jahres suchte ein französisches Flugunternehmen einen Zwischenlandeplatz. Da fügte es sich gut, dass die Möglichkeit bestand, den ehemaligen Böblinger Flughafen wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Bei einer Besprechung von Rechtsrat Dr. Elsass mit interessierten Kreisen am 11.Februar 1921 war das Ergebnis nicht ermutigend. Von der Mehrheit der Industrievertreter wurde ein Bedürfnis abgelehnt.
1921-05-11 Schwäbischer Merkur Nr.212 – Erich Süßkind Abhandlung über den Anschluß Württembergs an das europäische Flugverkehrsnetz –
Nachstehend einige Hauptgedanken: Mit der Ausnahme eines regelmäßigen Luftverkehrs auf der Strecke Stuttgart-Konstanz ist in Württemberg ein Unternehmen ins Leben gerufen worden (Strähle), das zunächst mehr lokaler Natur weitere gedeihliche Ent-wicklungsmöglichkeit in sich birgt. Freilich ist der Anfang nur ein bescheidener, wenn man bedenkt, daß er bis jetzt nur die Möglichkeit gibt, in Konstanz die Flugpostlinie Warschau-München-Zürich-Genf-Lyon-Madrid zu erreichen. Letztere ist bis jetzt allerdings nur auf der Strecke München-Konstanz verwirklicht, soll aber demnächst nach Zürich unter Verwendung von Wasserflugzeugen weitergeführt werden, um auf diese Weise eine möglichst nahe Landung bei Zürich, und damit eine rasche Verbindung mit der Stadt zu gewährleisten. Es ist nun ohne weiteres ersichtlich, daß mit dieser einzigen Linie den allgemeinen württ. Verkehrsinteressen von Industrie und Handel noch wenig gedient ist, solange nicht die Strecke nach Norden ihre Fortsetzung findet und durch eine direkte Verbindung nach Berlin (vielleicht unter Zwischenlandung in Leipzig) die Möglichkeit gibt, dort an die Flugpostverbindung nach Danzig, Memel, Hamburg und Bremen anzuschließen, und damit auf großen Entfernungen auch große Zeitersparnisse zu erzielen. Ein anderer Gedanke, von Stuttgart aus über Frankfurt nach dem industriellen Herzen von Deutschland, dem rheinisch-westfälischen Gebiet, eine Flugverbindung herzustellen, ist solange unausführbar, als ihm unüberwindliche Hindernisse durch die Bestimmung des Versailler Friedensvertrags entgegenstehen, nach dem das Überfliegen des besetzten Gebietes und der neutralen Zone durch deutsche Flugzeuge verboten ist. Aber auch der Wegfall dieser Anschlußmöglichkeit bleibt für Stuttgart die Gelegenheit, seine örtliche Lage dazu auszunützen, die geplante internationale Flugverkehrslinie Paris-Straßburg-Nürnberg-Prag-Warschau und Paris-Straßburg-München-Wien-Best über seinen Flugplatz zu leiten und ihn dadurch zur Bedeutung eines Gabelpunkts für zwei große westöstliche Linien, gleichzeitig aber auch zum Zollflughafen für den Luftverkehr nach Frankreich zu erheben.
So einfach und naheliegend diese Pläne erscheinen, so schwierig ist es, sie in die Wirklichkeit umzusetzen. In erster Linie erhebt sich die Frage, ob wir in Württemberg einen Flugplatz besitzen, der den Erfordernissen eines regelmäßigen und umfangreichen Friedensflugdienstes entspricht. Der Canstatter Wasen, der als nächstliegender Platz wohl in Frage käme, und ja auch als Landungsplatz für die Strecke Konstanz-Stuttgart benützt wird, hat den einen großen Vorteil, daß er in un- mittelbarer Nähe Stuttgarts gelegen ist und dadurch die rasche Übermittlung der Flugpost an die Bahnhof -und Postanstalten möglich macht. Diesem Vorteil stehen aber andererseits wieder gewichtige Bedenken gegenüber, von denen der beschränkte Umfang des Platzes zu nennen wäre, der einem regeren nordsüdlichen und westöstlichen Durchgangsflugverkehr ernstliche Schwierigkeiten bereiten würde. Dazu kommt noch, daß der Platz infolge heimtückischer Geländewellen die Landung für einen fremden, mit den Geländeverhältnissen nicht genau vertrauten Flieger erschwert, und zudem von starkem Bodennebel, einem sehr gefährlichen Feind des Fliegers, heimgesucht wird. Der aus der Kriegszeit her wohlbekannte Böblingen-Sindelfinger Flugplatz hat den Vorteil des günstigeren Geländes, bessere Witterungsverhältnisse und den Umstand für sich, daß der Platz aus der Zeit seiner militärischen Verwendung noch eine Reihe von Baulichkeiten zur Verfügung hat, die, sofern sie nicht nach den Bestimmungen des Friedensvertrages abgebrochen werden müssen, bedeutende Ersparnisse an Baukosten einem neu zu erbauenden Flughafen gegenüber ermöglichen ließen. Andererseits müßte man versuchen, die verhältnismäßig große Entfernung des Platzes von Stuttgart durch entsprechende Einrichtung eines Kraftwagen-Postverkehrs für Passagiere und eines Motorrad- betriebs für Brief-und Paketpost auszugleichen. Dadurch würde eine wesentliche Verkürzung der Beförderungsdauer erzielt und die Frage zugunsten des Böblinger Flughafens entschieden…“
1921-06-24 Württembergischen Ministerium des Innern an das Oberamt Böblingen
1.) Das Auswärtige Amt hat unter Bezugnahme auf die gemäß Rücksprache angeschlossene Äußerung des Reichsschatzmeisters vom 28. Mai 1921 mitgeteilt, dass die Bemühungen, das von der Reparationskommission im August 1920 abgeschlossenen Verkauf der Böblinger Flugzeughallen rückgängig zu machen, leider ergebnislos geblieben sind.
2.) Das Arbeitsministerium, das die Beschlüsse des Gemeinderats Böblingen vom 28.Juli und 1. September 1920 von hier aus zugegangen sind, hat mit Schreiben vom 17.Mai 1921 mitgeteilt:
„Das Arbeitsministerium hat sich in der Frage der Ansiedlung von Industrieun-ternehmungen auf dem Flugplatz von Böblingen bereits mit Schreiben vom 5. Mai 1921 an das Reichsschatzministerium gewandt, einen Bescheid jedoch bisher nicht erhalten. Das Arbeitsministerium wird auch weiterhin den Bestrebungen der Gemeinde Böblingen, als Ersatz für die Auflassung des Flugplatzes eine leistungsfähige Industrie zu bekommen, annehmen.
Das Oberamt wird beauftragt, den Gemeinderat Böblingen zu verständigen und die Ministerialaktenstücke wieder vorzulegen.
1921-08-09 Reichsschatzminister an das Württembergische Arbeitsministerium
Die in der Gemeinderatssitzung der Oberamtsstadt Böblingen vom 13. Juli 1921 gemachten Angaben gehen von unzutreffenden Voraussetzungen aus.
Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages waren gemäß Artikel 202 sämtliche Flugzeug- und Luftschiffhallen in den Besitz der Feindbundstaaten übergegangen und dem Verfügungsrecht des Reiches entzogen. Es konnten schon nach dem Bekanntwerden des Friedensvertrages weder Hallen verkauft noch vermietet werden. Wo das letztere ausnahmsweise geschah, mußten sich die Mieter verpflichten, ohne Ersatzansprüche an das Reich die Hallen sofort zu räumen. wenn die Entente es verlangte. Die Entente hatte ausserdem verfügt, dass alle vor dem Friedensvertrag und nach dem Waffenstillstand getätigten Verkäufe über Fliegerhallen usw. null und nichtig sind. Es lag somit nicht in der Macht des Reichsschatzministeriums, an die Verwertung der Böblinger Hallen heranzugehen.
Die Reparationskommission hat, wie bekannt, die Hallen in Böblingen einem Herrn Janisch, der als Beauftragter der Firma A.Doyen & Fils, Brüssel, auftrat, verkauft. Ein Einfluss des Reichschatzministeriums war, ebenso wie bei allen anderen derartigen Verkäufen auch auf diesen Verkauf ausgeschlossen. Trotzdem die Entente nach dem Friedensvertrag verboten hatte, die Hallen ins Ausland zu verkaufen, hat es vorgenannte Firma verstanden, eine Ausfuhrbewilligung für das Abbruchmaterial nach Belgien zu erhalten. Ich habe, als ich durch Zufall hiervon Kenntnis erhielt, sofort Einspruch erhoben. Es war jedoch nur noch möglich, in Aachen 6 Wagen zu beschlagnahmen.
Die Verträge mit der Böblinger Flugzeugwerft A.G. „Libelle“ sind inzwischen abgeschlossen worden. Die Verzögerungen lagen nicht auf Seiten der Firma selbst, die mit ihrer Gründung Schwierigkeiten hatte. Es ist jedoch ein Irrtum zu behaupten, dass gerade diese Firma die Hallen vor dem Abbruch bewahrt habe. Die Genehmigung wurde nicht der Firma, sondern jedesmal dem Reich auf Auftrag gegeben, denn das Reich musste als Besitzer des Platzes der Firma erst die Genehmigung zur Beibehaltung der Hallen erteilen, nicht die Entente.
Im Mai dieses Jahres sind noch Verzögerungen im Vertragsabschluß dadurch entstanden, daß eine andere Industriegesellschaft zur Anlage eines Steinplatzes ein Stück Flugplatzgelände ausserhalb des „Libellegrundstücks“ erwerben wollte, jedoch die Bedingung stellte, eine Industriebahn zu dem fraglichen Gelände zu führen.
Die Eisenbahn-Verwaltung hat 2 Projekte eingereicht. Das günstigste Projekt erforderte eine geringe Grenzänderung des von der „Libelle“ gewünschten Grundstücks. Erst nachdem die Eisenbahn infolge anderweitiger Lösung des Gleisanschlusses von ihrem Projekt Abstand genommen hatte, konnte mit der „Libelle“ abgeschlossen werden. Ich füge ausdrücklich hinzu, dass der Preis, den die „Libelle“ gezahlt hat, ganz erheblich unter dem Werte des Grundstücks und seiner Anlagen liegt, und dass ich mich nur zu der Annahme dieses Angebots entschlossen habe, um den mehrfach geäußerten Wunsch der Stadt Böblingen entgegenzukommen.
Ich bitte Sie, dem Gemeinderat Böblingen diese meine Ausführungen mitzuteilen. Die Schlussfolgerungen der Gemeinde sind hiernach unbegründet und müssen entschieden zurückgewiesen werden.
Anmerkung : Das Thema Libelle hatte sich aber bald erledigt. Die Sindelfinger Firma schloß Ende 1922
1921-11-09 Besprechung über die Entwicklung des Flugverkehrs in Württemberg
Erörterung neben der finanziellen Sicherstellung, die Frage, ob bei der Errichtung des Flugplatzes dem Canstatter Wasen oder dem in Böblingen bestehenden Flugfeld der Vorzug zu geben sei. Vor allem die Oberpostdirektion Stuttgart erhob Bedenken wegen längeren Transportzeiten von Böblingen als vom Stuttgarter Wasen.
1922-02-18 Sitzung des Arbeitsausschusses für die Förderung des Luftverkehrs
Dabei wurde die Frage nach der Gewinnung der erforderlichen Mittel für die in Aussicht genommene Gesellschaft zur Errichtung und Unterhaltung eines brauchbaren Flugplatzes in der Nähe von Stuttgart gestellt. Man war geneigt, dem Böblinger Flugplatz wegen der günstigeren Lage vom flugtechnischen Standpunkt aus und wegen des geringeren Herrichtungsaufwands den Vorzug vor dem Wasen zu geben, trotz des Hinweises des Vertreters der OPD auf die verschiedenen Nachteile des Böblinger Flugplatzes im Bezug auf den Zubringerdienst. Elsass sprach sich eindeutig für Böblingen aus, zumal die Reichswehr am 07. Dezember 1921 sich gegen Stuttgart entschieden hatte. Anschließend war man bestrebt schnellstens eine Luftverkehrsgesellschaft zu gründen, weil bereits bekannt war, das am 05. März 1922 das Flugzeugbauverbot aufgehoben werde und ein Überfliegen der neutralen Zone mit deutschen Luftfahrzeugen gestattet werde.
1922-03-30 Gründung „Schwäbische Luftpostdienstgesellschaft G.m.b.H.“
Stammkapital von 550.000,– Mark. Beteiligt:
Staat Württemberg und Stadtgemeinde Stuttgart mit je 150.000,– Mark
Stadtgemeinde Böblingen mit 40.000,– Mark
Handelskammer Stuttgart mit 120.000,– Mark
Verband württembergischer Industrieller mit 85.000,– Mark
Paul Strähle mit 5.000,– Mark
Deren erster Vorsitzender wurde Paul Strähle, mit dem über ein Jahr vorher der erste private zivile Luftverkehr in Deutschland begann. Vor allem durch den Einfluß der Inflation blieben die Erfolge versagt und die Firma wurde bald gelöscht.
1924-10-14 Vorbesprechung „Flugplatz notwendig“
In einer Zusammenkunft von Vertretern des Staates Württemberg, der Stadt Stuttgart und der Privatwirtschaft wurde die Notwendigkeit der Errichtung eines Flughafens bekräftigt. Das Kapital von 600.00 RM sollte zu je einem Drittel von den Beteligten aufgebracht werden.
Das für die Infrastruktur des Landes verantworliche Arbeits- und Ernährungs-ministerium war sogar bereit, sich die Investitionskosten mit der Stadt zu teilen, sofern die private Wirtschaft den ihr zugedachten Betrag nicht aufbringen könne oder wolle. Letzlich trug die private Wirtschaft aber ihren Anteil an dem Investitionsvorhaben, zu dem auch der Anteil des Bankhauses Albert Schwarz gehörte. Die genaue Auflistung der Eigenkapitalgeber aus der Wirtschaft ist leider nicht bekannt.
Nach Presseberichten schweben in Stuttgart Verhandlungen über die Einbeziehung Stuttgarts in den Flugverkehr. Dabei ist noch unentschieden, wo der Flughafen errichtet werden soll, ob auf dem Cannstatter Wasen, der nach Urteil Sachverständiger ganz ungeeignet ist, oder auf der Höhe der Filder, wo durch Ankauf landwirtschaftlich wertvollen Geländes und durch kostspielige Anlagen ein Flugplatz erst angelegt werden müßte, oder durch Ingebrauchnahme des modernen und in jeder Beziehung durchaus einwandfreien Flugplatzes in Böblingen. Der Gemeinderat sieht sich veranlaßt, den für die Entscheidung über den Flughafen maßgebenden Stellen seine Stellungnahme und Auffassung in folgendem darzulegen:
Nachdem der Cannstatter Wasen wegen seiner ganz ungünstigen geografischen Lage und wegen des am Neckar sehr oft auftretenden Nebels nicht in Betracht kommen kann, wird es nötig, in der Umgebung Stuttgarts und zwar auf der Höhe den Flughafen zu errichten. Würde hierfür die Filderebene bestimmt, so müßte dort eine grosse und landwirtschaftlich hochwertige Fläche erworben und diese mit ganz bedeutenden Aufwendungen zu einem modernen Flugplatz ausgestaltet werden. Diese, einige Millionen verursachenden Aufwendungen würden in der Hauptsache wegfallen, wenn der nahe dabei liegende, dem Reichsfiskus gehörende früherer Militär-Flugplatz in Böblingen als Flughafen bestimmt würde. Der hiesige Flugplatz, der nach den Weisungen des Reichsfinanzministeriums an das Landesfinanzamt unter allen Umständen für seinen ursprünglichen Zweck erhalten werden muß und der nach den angestellten Erkundigungen von den Reichsbehörden gerne für den Flugverkehr zur Verfügung gestellt wird, entspricht nach seinen ausmaßen und seiner Anlage allen Ansprüchen, er ist, was besonders hervorzuheben ist, stets nebelfrei. Eine vollständig ausgebaute Tankanlage ist bereits vorhanden. Die in den früheren Militärbaracken auf dem Flugplatz untergebrachte Schutzpolizei, beider noch ein Stamm früherer Militärflieger vorhanden ist, ist in der Lage Hilfe zu leisten und die evt. erforderlichen Wachen zu stellen. Die in einem Gebäude des früheren Fliegerlagers untergebrachte „Kade“ ist in der Lage, kleinere Reparaturen auszuführen; für größere Reparaturen können die im benachbarten Sindelfingen angesiedelten und an den Flugplatz angrenzenden Daimler Werke herangezogen werden.
Als Nachteil des Böblinger Flugplatzes wird von gewissen Stellen in Stuttgart die weite Entfernung von Stuttgart geltend gemacht. Dieses Hindernis scheint nach der Ansicht des Gemeinderats bei einigem guten Willen leicht zu überwinden. Ganz abgesehen davon, dass die Flugplätze anderer Grossstädte gleiche Entfernungen von Stuttgart auf einen Flugplatz auf den Fildern für den Kraftwagenverkehr kaum um 15 Minuten kürzer als die von Stuttgart nach Böblingen. Da die Zubringung in der Hauptsache durch Kraftwagen erfolgen wird und in der Regel die Kosten hierfür in denen der Fahrt enthalten sind, erscheint die längere Fahrtdauer bedeutungslos. Da Böblingen von Stuttgart aus gerne besucht wird auch der Besuch des Flughafens bei Schauflügen keinesfalls notleiden, wenn die Eisenbahnverwaltung durch Einlegung von Extrazügen oder Triebwagen die nötige Verkehrsmöglichkeit schaftt, oder wenn andere Verkehrsmittel bereit gestellt werden. Der Gemeinderat beschließt einstimmig:
An das Württ, Staatsministerium mit der vorstehender Begründung die ergebenste Bitte zu richten, seinen Einfluß bei Bestimmung des Flughafens in Böblingen einzusetzen.
Für den Fall, dass Böblingen endgültiger Flughafen für den süddeutschen Verkehr wird, einen Betrag von 40.000 M zur Erstellung einer Flugzeughalle zur Verfügung zu stellen.
Auszüge an das Württ.Staatsministerium, Arbeitsministerium, Finanzministerium, Gemeinderat Stuttgart, Handelskammer Stuttgart, Daimler Motorengesellschaft Sindelfingen und Stadtschultheissenamt
1924-11-13 Oberamt Böblingen
Nach einer Pressemitteilung hat die neugegründete Luftverkehrs A.G. Verhandlungen über den Erwerb eines „höher gelegenen“ Platzes eingeleitet, da der Canstatter Wasen als Flugplatz nicht in Betracht komme. Es soll dafür vor allem das Schmiedener Feld oder die Gegend bei Möhringen ausersehen sein. Da zugleich von großen Geländeankäufen durch die Stadt Stuttgart bei Möhringen gesprochen wird (3 m für den qm), so liegt die Vermutung nahe, daß Stuttgart beabsicht, hier ein Gelände für einen neu anzulegenden Flugplatz der Gesellschaft anzubieten. Dazu kommt, daß die Stuttgarter Stadtverwaltung bis jetzt immer den Startpunkt vertreten hat, daß der Böblinger Flugplatz zu weit von Stuttgart entfernt sei (Bahn 26 km, Staatsstraße 19 km, Luftlinie 16 km), um als Landeplatz für Stuttgart dienen zu können.
Angesichts des Umstandes, daß nach dem Urteil von Sachverständigen die Neuanlegung eines gebrauchsfertigen Flugplatzes ungefähr 2 Millionen kostet und daß das Land Württemberg durch Übernahme eines Teils des Kapitalbedarfs an der neuen Gesellschaft beteiligt ist, erlaube ich mir, im Einvernehmen mit dem Gemeinderat Böblingen an das Staatsministerium die dringende Bitte zu richten, den Einfluß des Staats bei der Entscheidung über die Wahl des Flugplatzes jedenfalls in der Richtung einzusetzen, dass vorher durch Sachverständige gründlich geprüft wird, ob nicht der Böblinger Flugplatz doch als Landeplatz für die Luftverkehrs A.G. benützt werden kann.
Dabei gestatte ich mir auf Folgendes hinzuweisen:
Nach einer fermündlichen Mitteilung der Liegenschaftsgruppe des Landesfinanzamts ist dasselbe bereit, den im Eigentum des Reichs befindlichen Flugplatz der Fluggesellschaft zur Verfügung zu stellen.
Das Gelände des jetzt noch 110 ha großen Platzes bestand früher meist aus guten Wiesen, die von den Böblingen und Sindelfinger Landwirten schmerzlich vermißt werden, zumal da ihnen seinerzeit nur durchschnittlich 30 Pf für den qm bezahlt worden ist. Der Platz ist jetzt entwässert und deshalb zum großen Teil (50 ha) nur noch als Schafweide benützbar. 55 ha sind als Acker und Wiesen verpachtet. Der Platz (430 m über dem Meer) entspricht nach dem Urteil der Sachverständigen (z. B. auch des Führers des Aaro-Lloyd Frh. v. Massenbach) den an einen Flugplatz zu stellenden Anforderungen. Er ist insbesondere nebelfrei und hat gleichmäßige Winde, Größte Länge 1400 m, größte Breite 900 m.
Es sind eine große Zahl von Einrichtungen geschafffen, die bei einem neuen Platz mit großen Kosten erst beschafft werden müßten (z.B. Gleisanschluß, Rampen, Benzintank – 1800 Ltr. fassend-) Anflug- und Sanitätsstraßen). Die 2 großen Seen südlich der Stadt können als leicht sichtbare Ansteuerungspunkte dienen. Der während des Kriegs erbaute und von der Stadt seither unterhaltene Fliegerturm auf der Waldburg läßt sich gut als Signalturm, insbesondere auch bei Nacht verwenden. Die Stadt ist nach der Anlage bereits, eine Flugzeughalle zu erstellen, außer sind noch einige Gebäude auf dem Platz vorhanden, die für Zwecke des Flugbetriebs benützt werden könnten.
Auf dem Platz ist jetzt noch die Flugpolizei für Württemberg stationiert. Es befindet sich dort auch eine Reparaturwerkstätte (Kade-Werke), bei der 30-40 Monteure, z.T. fühere Flieger, beschäftigt sind, die erforderlichen Reparaturen ausführen könnte. An dem Reichsflugplatz schließt sich der etwa 30 ha große Daimlerflugplatz an, den die Daimlerwerke in Sindelfingen wieder benützen werden, da sie in nächster Zeit an die umfangreiche Herstellung eines seit Jahren ausprobier ten Typs von Leichtflugzeugen gehen werden. Auch diese Nachbarschaft würde den Flugbetrieb zum Vorteil gereichen. In den früheren Fliegerkasernen auf dem Flugplatz ist die Schulabteilung der Schutzpolizei untergebracht. Die Mannschaft würde als Hilfs- und Absperrmannschaft benützt werden können, sodaß wenn z.B. der Inhaber der Schutzpolizeikantine, ein früherer Flieger und Fluglehrer, die Geschäfte der Flugleitung übernehmen würde, weitere Personalkosten nicht entstünden. Leihwagen stehen hier schon mehrere zur Verfügung.
Die Insassen der Flugzeuge werden wohl alle von und zum Flugplatz einen Kraftwagen benützen. Sie werden sich durch die Entfernung von 19 km, die ein Kraftwagen in 35 Minuten auf der guten Staatsstraße zurücklegt, nicht abschrecken lassen, die Fluglinie zu benützen, zumal in fast allen größeren Städten der Flugplatz gerade so weit, wenn nicht noch weiter vom Stadtmittelpunkt entfernt ist und der Gebrauch bei den Luftverkehrslinien sich längst eingebürgert hat, daß der preis für die Kraftwagenfahrt von und zum Flugplatz im allgemeinen Preis inbegriffen ist.
Wenn die Luftverkehrsgesllschaft beabsichtigt, für das große Publikum Schauflüge und dergleichen einzurichten, so läßt sich eine solche Veranstaltung ebensoleicht wie auf jedem anderen Platze einrichten, zumal da er unmittelbar neben der Bahnstation gelegen ist. Der Preis einer Fahrt nach Stuttgart Westbahnhof beträgt an Sonntagen 40 Pf, an Werktagen 60 Pf. Der Bezirk strebt schon lange die Einrichtung einer besseren Vorortsverbindung mit Stuttgart an; außerdem stehen die beiden Stadtgemeinden seit längerer Zeit mit Stuttgart über die Weiterführung der elektrischen Straßenbahnen über Vaihingen-Sindelfingen nach Böblingen in Unterhandlung. Diese Projekte würden durch die Wiederaufnahme eines Flugbetriebs in Böblingen wesentlich gefördert.
Da der bisherige Reichsflugplatz seiner Bestimmung nach dem willen des Reichs erhalten werden muß, könnte wes in weiten Kreisen des Volkes, insbesondere in denen der Landwirtschaft, nicht verstanden werden, wenn weiterer fruchtbarer Boden der Bebauung entzogen würde, während in geringer Entfernung davon ein großes Gelände brach liegt. Eine Abschrift des vorstehenden Berichts ist dem Arbeits- und dem Finanzministerium zugestellt worden.
Oberamtmann Rüdiger
1924-11-15 Gründung „Luftverkehr Württemberg AG“ (LUWAG)
1924-12-08 Stuttgarter Neues Tagbeblatt Nr 540
Im wesentlichen werden in dem Artikel die Argumente des Oberamts Böblingen in ihrem Schreiben vom 13.November 1924 aufgeführt.
1924-12-08
Die Stadtgemeinde Böblingen hat sich bereit erklärt, für den Fall, daß des Böblingen Flugplatz endgültig für den württ. Luftverkehr in Betrieb genommen wird, 40.000 Mark für die Erstelllung einer Flugzeughalle zur Verfügung zu stellen. Der Luftverkehr soll in Württemberg bis 1. März 1925 eröffnet werden.
1925-02-09 Luwag entscheidet sich für Böblingen – Auszug aus „LUWAG Stuttgart 25 Jahre 1924-1949 –
Der Luftverkehr bedarf nicht nur zuverlässiger Piloten und gut konstruierter Flugzeuge, sondern ebenso einer Bodensichereung, die allen Anforderungen gerecht wird. In erster Linie gehören dazu die Flughäfen mit den Lande-und Startanlagen samt allen dazugehörigen Einrichtungen. Über die zu stellenden Anforderungen an einen Stuttgarter Verkehrsflughafen gingen die Ansichten der Fachleute 1924 noch sehr weit auseinander Die „Alten Adler“ hielten den Stuttgarter Cannstatter Wasen inmitten der Stadt für das geeignetste Gelände, von dem auch Paul Strähle seine Postflüge gemacht hatte. Für den endgültigen Stuttgarter Verkehsrsflughafen wurde von seiten der Luftfahrtgesellschaften das Fildergelände zwischen Degerloch und Möhringen für geeignet gehalten. Da ber der etwa 20 km westlich der Stadt gelegene, während des Krieges angelegte Militärflugplatz zwischen Böblingen und Sindelfingen sofort verfügbar war, beschloß der Aufsichtsrat am 9.Februar 1925, die verhältnismäßig große Entfernung von der Stadt in Kauf zu nehmen, auf dem Cannstatter Wasen kein Provisorium zu schaffen und den Böblinger Flugplatz vorläufig als Verkehrsflughafen einzurichten.
Die Luwag begann sofort mit Belagsarbeiten auf dem Flugplatz Böblingen:
1925-02-17 Reichstagsrede Johannes Groß vom Zentrum – Dringlichkeit einer Flugverbindung –
„Wenn ich weiterhin mit ein paar kurzen Worten mich dem Luft-und Kraftverkehr zuwende, so darf ich unserer Auffassung Ausdruck geben, wie sie z.B. schon im Ausschuß dargelegt wurde, daß wir die Bedeutung und die Entwicklung des Luft-und Kraftverkehrs für die Zukunft nicht unterschätzen. Wir werden alles tun, um gerade diese beiden modernen Verkehrszweige zu fördern. Ich habe noch einen Wunsch damit zu verbinden, daß, nachdem man bereits kreuz und quer im Luftverkehr im reiche fährt, eine zweckmäßige Verbindung von Stuttgart über Leipzig nach Berlin als eine Notwendigkeit von uns angesehen wird. Wir halten diese Verbindung für um so notwendiger, als die Verbindung, die zurzeit über Fürth fährt, nicht in der Kürze die Strecke zurücklegen vermag, wie eine direkte Linie von Stuttgart nach der Reichshauptstadt.
1925-03-23 Württ. Gesandte in Berlin an den Württembergischen Staatpräsidenten Bazille in Stuttgart („Letzter Versuch für Suttgart“)
In dieser Angelegenheit hat sich durch eine im Reichwehrmisterium in letzter Woche das Resultat ergeben:
Das Reichswehrministerium sei immer davon ausgegangen, die Voraussetzung für die Überlassung des Canstatter Wasens als Flugplatz müsse sein, dass die Mittel zur Beschaffung des Burgholzhofgeländes aus dem Erlös des Cannstatter Wasens dem Ministerium zur Verfügung stehen. Solange in letzterer Richtung nicht feststehe, auf was das Ministerium sich verlassen könne, könne aus Gründen der Ausbildung die Genehmigung zum Flugbetrieb seitens des Reichswehrministerium nicht wohl erteilt werden. Im Hinblick auf die erheblichen Interessen, die bei einer weiteren Verzögerung der Angelegenheit gerade für Württemberg in Frage stehen, bemerkte der zuständige Referent des Ministeriums, dass es sich vielleicht empfehlen könnte, beschleunigt einen Antrag dahingehend einzureichen, dass wenigstens an der Nordseite des Wasens auf einer Breite von ca 400 m die dort stehenden Obst-und Kastanienbäume entfernt werden dürfen. Ein solcher Antrag würde alsbald einer wohlwollenden Prüfung unter berücksichtigen der besonderen württembergischen Interessen in dieser Angelegenheit unterzogen werden.
Die Verhandlungen über den Ankauf des Cannstatter Wasens seitens der Stadtge-meinde Stuttgart haben sich im übrigen nach Kenntnis des Reichwehrministeriums noch nicht zerschlagen, sie seien im Gegenteil im Fortschreiten begriffen. Es komme nur darauf an, dass die Stuttgart ihr Bereitwilligkeit zum Ankauf des Burgholzhofgeländes für das Ministerium erforderlich sei, sofort bereitstelle. sobald diese Voraussetzungen erfüllt seien, würde seitens des Reichswehrministeriums einer Freigabe des Cannstatter Wasens für den Flugbetrieb nichts im Wege stehen. Die noch erforderlichen weiteren Verhandlungen, Zahlunsgmodus, Höhe des Gesamtkaufpreises für das Gelände des Cannstatter Wasen usw. könnten eventuell auch noch für später zurückgestellt werden. In diesem Sinne aber würde es gelten, auch staatlicherseits auf die Stadt Stuttgart Einfluß auszuüben und sie dahin zu bringen, dass die Kaufsverhandlungen wegen des Cannstatter Wasens von ihr aus so gut als möglich gefördert würden. Die mir in der Sache überlassenen Akten des Arbeits-und Ernährungsministeriums sind sämtlich wieder beigefügt.
Der Gesandte Bosler
Plötzlich ging alles sehr schnell: Am 20.April 1925 wurde der amtliche Luftverkehr in Württemberg mit dem ersten Linienflug vom Landesflughafen Stuttgart-Böblingen eröffnet
(Bemerkung: In Stuttgart gab immer wieder Diskussionen über den Standort Böblingen, man konnte sich nicht so leicht damit abfinden, daß der Flugplatz nicht nach Stuttgart kommen sollte.)