Zeppelin 1929

… am 3. November 1929 landete Graf Zeppelin LZ127 erstmals in Böblingen

Die Fahrt sollte eigentlich schon am 20 .Oktober 1929 stattfinden und wurde entsprechend angekündigt: Das Luftschiff Graf Zeppelin wird am nächsten Sonntag vormittags 9 Uhr unter Führung von Dr. Eckener in Friedrichshafen aufsteigen und eine Fahrt durch Württemberg machen. Gegen 1 Uhr wird das Schiff auf dem Stuttgarter Flughafen bei Böblingen landen und dort etwa drei Stunden verweilen. Der Landung des Luftschiffes schließt sich ein Empfang durch die württembergische Staatsregierung und die Städte Stuttgart und Böblingen an. Der Start des Luftschiffes zur Rückfahrt ist gegen 4 Uhr nachmittags zu erwarten. Ein Flugzeugeschwader wird den „Graf Zeppelin“ bei seiner Heimfahrt bis Stuttgart begleiten. Am kommenden Dienstag oder Mittwoch wird der „Graf Zeppelin“ eine Spanienreise unternehmen und dabei die Weltausstellung in Barcelona besuchen.

Zu diesem Termin war in der Flughafen Gaststätte diese Speisekarte vorgesehen
…und für die Zielfahrt des Deutschen Touring Clubs eine Plakette erstellt. (Bronzemedaille 1929 von Mayer und Wilhelm, auf die Landung des LZ 127 in Böblingen.  Luftschiff nach links über Stadtbild / Fünf Zeilen Schrift. Slg. Wurster -, Kaiser 537. 36 mm)

Auf Grund der schlechten Wetterlage wurde dieser Flug abgesagt. So berichtete z.B.die Vorarlberger Landes-Zeitung v. 21. Oktober 1929 „Die Absage der für gestern geplanten Fahrt des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ hat in Böblingen größte Enttäuschung hervorgerufen. Viele Geschäftsleute, namentlich Wirte, Metzger und Bäcker hatten sich auf einen Riesenbesuch Böblingens vorbereitet und mit ungewöhnlich großen Vorräten versorgt. So sollen einzelne Metzger bis zu 20 Stück Vieh geschlachtet und auch die Bäcker enorme Mengen Brotwaren gebacken haben. Das durch die ungünstigen meteorologischen Verhältnisse bedingte Unterbleiben der Landung hat alle Erwartungen getäuscht und in vielen Fällen durch Geschäftsausfall erheblichen Schaden verursacht“

(Sindelfinger Zeitung)

Die Vorarlberger Landes-Zeitung v. 23. Oktober 1929 berichtet „Der Zeppelinbesuch in Böblingen ist für den folgenden Sonntag, den 3.November in Aussicht genommen. Die bereits ausgegebenen Karten behalten ihre Gültigkeit.“ und am 3. November 1929 „Die für 20. Oktober geplante Süddeutschlandfahrt des Luftschiffs „Graf Zeppelin“ mit Landung auf dem Flughafen Stuttgart-Böblingen wird nach den bisherigen Dispositionen des Luftschiffbau Zeppelin am Sonntag, den 3. November, ausgeführt werden. Das Programm für die Fahrt ist das gleiche, wie es für den 20. Oktober vorgesehen war. Das Luftschiff verläßt Friedrichshafen morgens gegen 9 Uhr, macht eine Fahrt über Süddeutschland und erscheint zwischen 12 und 1 Uhr, ohne Stuttgart zu berühren, zur Landung auf dem Flughafen Böblingen. Der Aufenthalt ist auf 2-3 Stunden bemessen. 


Böblingenfahrt

47.Flug (von 590)  HINFLUG (von Friedrichshafen)

  • Friedrichshafen ab 9:05 Uhr
  • über Böblingen 12:15 Uhr (Schleifenflug über Stuttgart)
  • Böblingen an 12:55 Uhr
  • Fahrtdauer 3:50 Stunden
  • gefahrene Strecke 337 km
  • durchschnittliche Geschwindigkeit 87,9 kmh

48.Flug (von 590) RÜCKFLUG (nach Friedrichshafen)

  • Böblingen ab 15:24 Uhr
  • Friedrichshafen an 17:03 Uhr
  • Fahrtdauer 1:39 Stunden
  • gefahrene Strecke 158 km
  • durchschnittliche Geschwindigkeit 95,7 kmh

Hamburger Nachrichten 3.November 1929 – Ankündigung:

Heute in Böblingen. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ wird am Sonntag auf seiner Süddeutschlandfahrt unter Führung von Dr. Eckener zwischen 12 und 13 Uhr in Böblingen landen. Außerdem werden Dr. Dürr, Dr. Maybach, Ministerialdirektor Scholl vom Innenministerium und Graf von Soden mit dem Luftschiff nach Böblingen kommen. Der Aufenthalt in Böblingen wird von den Wetterverhältnissen abhängen. Wenn mit dem frühzeitigen Auftreten von Bodennebeln in den Abendstunden zu rechnen ist, wird das Schiff frühzeitig nach Friedrichshafen zurückkehren, um die Landung in Friedrichshafen nicht zu erschweren.

 Böblinger Bote – Bericht über den Böblinger Aufenthalt:

Unsere Stadt hatte heute vom frühen Morgen an einen Massenbesuch zu verzeichnen, wie sie ihn wohl noch nie gesehen hat. Alle Strassen der mit Flaggen reich geschmückten Stadt waren übervoll von Menschen, die dem Flugplatz zuströmten. Der Flugplatz glich einem Heerhaufen. Immer noch liefen Extra-Eisenbahnzüge aus allen Richtungen mit Tausenden von Menschen hier ein, während auf den Anfahrtstrassen Auto um Auto heranrollte. Inzwischen hatte der Bodennebel sich verflüchtigt, während eine sehr niedrige Wolkendecke am Himmel hing. Gegen 12 Uhr hatten sich auf dem Flugfeld, das in weitem Umfang abgesperrt war, etwa 100.000 Menschen eingefunden, die von der Schutzpolizei umsichtig an die Plätze und Schranken gebracht wurden. Vor dem Flughafengebäude hatte sich die Ehrengäste eingefunden, unter denen man u.a. Staatspräsident Dr. Bolz bemerkte. Auf dem Landungsplatz waren 170 Mann der Eßlinger Schutzpolizei als Haltemannschaften aufgestellt, denen 20 Mann der Friedrichshafener Werft zur Seite standen. Bis zur Ankunft des Luftschiffs unterhielten drei Schulflugzeuge der hiesigen Fliegerschule und ein Klemm-Flugzeug die Zuschauer mit Geschwader- und Einzelflügen. Gegen 12:15 Uhr wurde „Graf  Zeppelin“ in seiner silbergrauen Tönung, durch die Wolkenwand stoßend, im Süden sichtbar, umkreist von den vier auf dem Flugplatz anwesenden Flugzeugen. Von den Tausenden und Abertausenden mit Jubel begrüßt, umkreiste das Luftschiff in langsamen Flug das Flugplatzgelände und stattete sodann der Stadt selbst in einem längeren Schleifenflug einen Besuch ab. Es kehrte nach kurzer Zeit zurück, um einen Landungsversuch zu unternehmen.

Erst nachdem das Luftschiff nochmals den Flugplatz verlassen und von entgegengesetzter Richtung auf dem Flugfeld wieder erscheinend zur Landung schritt, gelang diese um 12:50 Uhr, nachdem vorher durch Fallschirm die Postsendung abgeworfen wurde. Das Luftschiff hatte damit seine Fahrt von Friedrichshafen über Titisee-Freiburg-Rheingau nach Böblingen ausgeführt. Nach einer etwa 10 Minuten dauernden Marschbewegung des Luftschiffes, die ausgeführt wurde, um das Schiff näher an die Menschenmauer heranzubringen, entstiegen dem Luftschiff die 30 Fluggäste, sodann unter den Hochrufen der Anwesenden Dr. Maybach, Dr. Dürr und Dr. Eckener.

Hierauf hieß Staatspräsident Dr. Bolz das Schiff in einer kurzen Ansprache willkommen, in der er seiner Freude über den Besuch und die Landung des Luftschiffes auf dem hiesigen Flugplatz herzlichen Ausdruck gab, während sein kleines Töchterchen unter dem Jubel der Anwesenden auf „Graf Zeppelin“, seine Führung und seine Mannschaft ein begeistert aufgenommenes Hoch ausbrachte. Um 15:10 Uhr begaben sich die 32 Passagiere, die jetzt die Rückfahrt des Luftschiffes mitmachten, an Bord, Wasserballast wurde abgegeben, die Maschinentelegraphen klingelten, bald setzten die Motoren ein, und unter Abschiedswinken der Zurückbleibenden stieg „Graf Zeppelin“ um 15:20 Uhr wieder auf, um auf direktem Wege nach Friedrichshafen zu fliegen. Das Luftschiff nahm sofort nördlichen Kurs und entschwand bald in einer niedrig hängenden grauen Wolkendecke.

Eine Böblingerin erzählt im Briefverkehr mit ihrer Tochter vom Zeppelinbesuch.   13. Nov. 1929

  • „… die Zeitung werdet ihr erhalten haben vom Zeppelinbesuch in Böblingen und Gemeindehaus Einweihung. Das war ein Tag, schönes Wetter war nicht, morgens Nebel, kalt und düster, dann hellte es sich auf. Von 10 Uhr Morgens kam alle 10 Minuten ein Extrazug von allen Richtungen und dieses Menschengewühl hat Böblingen noch nicht erlebt, aber eine Ordnung wie noch nie. Die Bahhofstraße durfte weder Auto noch Motorrad und kein Radfahrer herunter, alles in die Stuttgarter Str., Galgenberg, Alte Sindelfinger Str. Es waren berittene Schutzmannschaften von Stuttgart da zum Ordnung halten, ist auch alles verlaufen trotz dieser riesigen Menschenmasse. 100 000 sollen es gewesen sein, ich glaube noch mehr. Auf Dinkelakers Wiese bei uns (zwischen Stadtgraben-und Talstr.) war ein großes Bierzelt, Kaffeehalle von Konditor Breuning, Karussell, Schiffschaukel, Buden, aber es war zu kalt zum trinken. Der Zeppelin kam nach 12 Uhr 20 Minuten und überflog 3  3 mal Böblingen. Dann zum 3. Mal kam er am Schönbuchsaal und uns vorbei und direkt zwischen Simon- (Bahnhofswirtschaft) und Bahndienstgebäude dem Flugplatz zu. Wie langsam das ging, wir hätten den Zeppelin fast langen können. So schön hätte ich es nicht gedacht. Als er gegen 3 Uhr wieder abflog, überflog er Böblingen wieder und nahm seinen Weg nach Friedrichshafen.
    Friedrich Rebmann, Dipl.Ing. (1947-1955 Stadtbaumeister) hat eine Denkmünze entworfen und prägen lassen und an Dr. Eckener geschickt, wo er dann von demselben einen Brief bekommen hat, am gleichen Tag, wo er nach Böblingen kam. Friedrich hat sich ihm am Zeppelin vorgestellt und mit ihm gesprochen. Er hat mir’s am andern Tag gleich erzählt und den Brief gezeigt.“
Bronzemedaille 1929 von Mayer und Wilhelm, auf die Landung des LZ 127 in Böblingen. Luftschiff nach links über Stadtbild / Fünf Zeilen Schrift. Slg. Wurster -, Kaiser 537. 36 mm

Da die ursprüngliche Landung am 20.Oktober sein sollte, mußte die Medaille zur Plakettenfahrt des Deutschen Touring Clubs mit dem neuen Datum erstellt werden.

Bronzemedaille 1929 von Mayer und Wilhelm, auf die Landung des LZ 127 in Böblingen.  Luftschiff nach links über Stadtbild / Fünf Zeilen Schrift. Slg. Wurster -, Kaiser 537. 36 mm

Das Stuttgarter Neues Tagblatt berichtet am 4.November 1929 „Graf Zeppelin“ besucht Stuttgart – Hunderttausend begrüßen das Luftschiff  Man hatte es nicht mehr geglaubt. Aber Regierungsrat Biser, der vom Württembergischen Luftverband sozusagen als maitre des plaisir für die Flugtage berufen ist und einen verflucht dicken Kopf hat, wenn  er etwas durchzusetzten für richtig hält, hatte erklärt: Schon einmal haben wir die Böblinger reinfallen lassen müssen. Diesmal muß es gemacht werden. Und da auch Eckener von seiner Schweizer Fahrt aus mitteilte, wie das Wetter aufkläre, wurde am Samstag mittag noch der schwerwiegende Entschluß gefaßt: „Graf Zeppelin“ kommt. Der Entschluß war gut und wird von Hundertausenden gelobt. So viele waren es nämlich, die sich auf dem Flugplatz einfanden. Spengler, der von seinen Kunst-und Schauflügen her im Köpfezahlen aus der Vogelschau eine Übung besitzt, glaubt, daß es jedenfalls so viele gewesen seien. Viele Kilometer weiter war die Kette, die den Flughafen umsäumte; vor dem Verwaltungsgebäude und den Flughafen – das war von der Terrasse aus ein ganz überwältigender Anblick – standen sie Kopf bei Kopf bis hinüber zur Hirth-Klemm-Halle und auf der anderen Seite bis nach Sindelfingen. Auch auf den Dächern war’s zum Breche

Und daher spie noch jeder Bahnzug, schon als das Luftschiff über dem Platz stand, neue Unmengen aus. Ein kleines Häuflein von diesen Hunderttausend, die Ehrengäste, durften sich vorner aufpflanzen. Doch gab’s auch für sie eine Schranke, die sie vom Landeplatz fernhielt. Nur eine noch kleine Schar, mit Armbinden in den Zeppelin-Farben Weiß-Blau, offizielle Vertreter, Angehörige der Passagiere, Presse, Photographen und Rundfunk dürfen den großen freien Platz betreten, auf dem die Haltemannschaften bereitstanden. An offiziellen Vertretern sah man u.a. Staatspräsident Dr. Bolz, Finanzminister Dr. Dehlinger, Staatsrat Rau, und Ministerialrat Staiger vom Wirtschaftsministerium, Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager und verschiedene Gemeinderäte, Polizeipräsident Klaiber, den Rektor der Technischen Hochschule, Professor Dr.Grammel vom Württ. Luftfahrtverband, der den ganzen Zeppelinbesuch veranstaltete, Präsident Kälin und Regierungsrat Biser.

Der Siemens-Großlautsprecher hielt die Wartenden dauernd auf dem Laufenden, wo das Luftschiff war, Er hatte Verbindung mit der Funkkabine selbst und es war immerhin auch in unserer abgebrühten Zeit noch ein eigenartiges Gefühl,  mit Stentostimme den Zeppelingast sprechen zu hören, den man irgendwo hinter den Wolken wußte.  Über dem Platz tummelten sich inzwischen die Fluglehrer Hauptmann Engwer, Spengler und Weller in tollen Kunstflügen. Als die Meldung kam „Wir sind über Leonberg“ machte sich das Empfangsgeschwader auf, um dem Luftschiff bis zum Westbahnhof entgegenzufliegen. Die böse Fama will wissen, daß sie ihn in dem starken Dunst verfehlt haben. Aber was weiß die Fama nicht alles!

Jedenfalls erschien Punkt 12.20 Uhr Uhr, von ziehenden Nebelwolken umgeben, der graue Riesenfisch plötzlich von Böblingen her über dem FlugplatzAllgemeines Erstaunen. Die Hüte fliegen von den Köpfen. Tücher und Fähnchen winken, nicht ein Jubelschrei – so großspurig geben’s wir Schwaben nicht, aber ein vernehmliches Volksgemurmel bricht los. Und jetzt kommt die ganze Nervosität und Unruhe über den Platz, die einem derartigen Schauspiel erst das Prickelnde gibt. Musikdirektor Benning führt seine wackere Schupokapelle heran. Die 200 Schupoleute aus Eßlingen kommen in Laufschritt zum Haltekreuz heran. Fahringenieur Bäuerle, der die Landung in Tokio geleitet hat, hat hier ein leichtes Arbeiten. In respektvoller Entfernung – 500 Meter Abstand ist Vorschrift – umbrüllen die Flugzeugmotore den langsam herankommenden Luftriesen. Ein weißer Fallschirm löst sich; er bringt Post vom Luftschiff und sinkt nach getaner Pflicht wie der Marathonläufer tot zusammen. Noch zeigt „Graf Zeppelin“ nicht die Landeflagge. Er will sich die Situation zunächst beschauen. Der Wind ist unangenehm ungleichmäßig. Ein Sachkundiger erklärt dies: wir sind am Rand einer Gutwetterzone, die vom Norden kommt, und einer Schlechtwetterzone, die ihren Kern über Italien hat. Graf Zeppelin weiß nun, was er zu tun hat und verschwindet nach einer großen Schleife wieder im Nebel. Bald ist er wieder da. Tiefer. Landeflagge unterm Bug. Nase tief. Wasserballast ergießt sich aus dem Heck. Halt über dem Landekreuz. Nur links rollen noch die Motore. Alles denkt: Aha! Aber das Durchsacken ist bei dem Wind noch nicht möglich. Noch einmal eine Runde.

Die Landung. Wieder über dem Platz. Noch tiefer als vorher. Die Motoren schweigen. Vorn fallen die Haltetaue. Die Wassergüsse werden stärker.

Ein letzter gemeinsamer Choral aller Motoren, daß die Hülle über dem Gerippe schwingt. Dann lautlose Stille. Langsam, majestätisch – man muß diese Wort gebrauchen – senkt sich das Schiff. Stramme Fäuste greifen in die Leitstange unten an der großen Kabine und Punkt 12:58 Uhr berührt der Prellsack der Führerkabine den Boden. Unmittelbar neben dem Landekreuz. Ein glänzendes Manöver. Von 200.000 Augen mit gespanntester Aufmerksamkeit und lautloser Begeisterung verfolgt. Da die Landung ziemlich weit vom Publikum erfolgt ist, wird es 300 Meter näher herangebracht.

Seltsam, fast unheimlich, wie geräuschlos und folgsam sich das Ungetüm von den Schupofäusten führen läßt. Halt. Käpitän v. Schiller springt als erster auf den Boden. Dann Steuermann Marx; er macht die Leiter fest. Und Führung, Mannschaft und Passagiere winken aus den Fenstern. Auch der Luftschiffkoch Manz, eine Berühmtheit zweier Hemisphären, lächelt behäbig durchs Fenster. Ein paar Passagiere steigen aus; als erster Ministerialdirektor Dr. Scholl mit Frau und Polizeidirektor Quintenz aus Friedrichshafen, dann die Böblinger Passagiere Burkhardt, Kindler, Reißer. Für jeden Aussteigenden muß ein Schupomann hinein, damit das Gleichgewicht erhalten bleibt. Auch Prof. Eckeners Töchterchen dürfen den Onkel Hugo in der Kabine begrüßen. Endlich kommen die Männer, deren Namen schon lang auf den Lippen liegen: Dr. Maybach, Dr. Dürr, lebhaft begrüßt, etwas betreten unter den  resigniert erduldeten Ovationen, Lehmann, Flemming und Eckener. Hochrufe. Karl Struwe stellt sein Mikrofon bereit. Maybach und Dürr fliehen.

Aber Staatspräsident Dr. Bolz in seiner Eigenschaft als Ehrenpräsident des Luftfahrtverbandes, tritt vor das Kästchen und spricht mit klarer Stimme den Willkommensgruß: Unsichtbar zieht die herbstliche Sonne ihre Bahn. Trüb und ernst ist der Himmel, wie unsere Zeit. Aber einer kommt gefahren, hell leuchtend und strahlend. Er macht die Herzen froh, erweckt Freude und Jubel. Wie oft bist du über deine Heimat hinweggefahren, in deinen Lehrjahren, in deinen Meisterjahren! Kaum einer, dem du dicht nicht gezeigt hättest. Mit uns hast du Glück und Unglück geteilt. Heute bist du nun bei uns niedergestiegen, im Herzen deiner Heimat deines Vaters. allezeit hast du uns bevorzugt. Du liebst deine Schwaben. Deine Schwaben lieben dich, nicht laut und schreiend,  aber tief und von Herzen. Heute soll unser Jubel offenbar werden. Die Welt soll unseren Stolz und unsere Freude hören. Ihr lieben Schwaben, in Eurem Namen grüße ich unsern Landsmann, Graf Zeppelin, bei uns geboren, bei uns mühsam großgezogen, bei uns zum Weltmeister geworden. Eine Bitte noch an Euch, liebe Schwaben: Laßt mein Kind ein Hoch ausbringen.

Und nun ruft, ein sinnvolles Symbol dafür, daß gerade die Jugend hier mittut, ein helles Kinderstimmchen, tapfer das Zittern unterdrückend, das hoch auf das Luftschiff und seine Männer in das Mikrophon. Mechthild Bolz wird noch lange stolz darauf sein, daß sie als sechsjähriges Mädelchen den Zeppelin bei seiner ersten Landung seit den Vorkriegstagen im Namen des schwäbischen Volkes begrüßen durfte. auch Dr. Eckener, der ernst danebenstand, hat diesen Gruß der Jugend wohl mit besonderer Hoffnung vernommen. Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager hieß namens der Stadt Stuttgart die „hohen“ Gäste willkommen. Er führte in humoristischer Weise aus, daß es bekanntlich in aller Welt Böblinger gebe und daß deshalb auch auf der Weltreise „Graf Zeppelin“ Dr.Eckener überall von Böblingern  begrüßt worden sei.  Schon Kolumbus habe bekanntlich bei der Entdeckung Amerikas in der neuen Welt zuerst Böblinger getroffen. So sei es kein Wunder, wenn „Graf Zeppelin“ hierher gekommen sei, um die Geburtsstätte dieser reislustigen Landsleute kennen zu lernen. Dies komme auch den Stuttgartern zugute, die endlich einmal Gelegenheit haben, „Graf Zeppelin“ ganz von der Nähe zu sehen. Er begrüßte Dr. Eckener als den Mann, der den guten deutschen Namen überall in die Welt hinausgetragen hat und seine Mitarbeiter Dr. Dürr und Dr. Maybach, deren Wiegen in Stuttgart und Cannstatt standen.

Dr. Eckener, der von einer gewissen Scheu vor dem Mikrophon befallen scheint, drückt dem Staatspräsidenten und dem Oberbürgermeister in herzlichem Dank die Hände. Wird dann mit Dr. Dürr und Dr. Maybach in ein Auto verbracht und unter den brausenden Rufen der Menge das ganze Spalier der Zuschauer entlang geführt.

Meister Benning spielt geeignete Märsche. Endlich ist auch diese Pflicht erledigt. Und nun sammeln sich die Zeppelinfahrer mit den Vertretern der Regierung  und der Stadt zu einem kurzen Mittagessen in dem festlich geschmückten Saal des Flughafenrestaurants , wohin die Stadtverwaltung Stuttgart sie eingeladen hatte.

Flughafenrestaurant anläßlich des Zeppelin-Besuchs

Außen drängt sich unterdes die Menge und die Polizei hat allerlei Mühe, die Begeisterung und auch das Drängeleibedürfnis älteren und jüngerer Jugend in Schranken zu halten. Verschiedentlich müssen die Polizeipferde dabei mithelfen. Es muß übrigens festgestellt werden, daß die Menge im großen und ganzen, von einigen verständnislosen Zeitgenossen abgesehen, sich verhältnismäßig recht manierlich benommen hat. Auch die Polizei verdient ein warmes Wort der Anerkennung. Das Böblinger Gaststättengewerbe hatte natürlich seinen großen Tag. Für alles war trefflich vorgesorgt, es wird keinen gegeben haben, der hungern und dursten mußte. Auch Anti-Alkoholiker kamen auf ihre Kosten; ein vielbestürmter Milchwagen der Stuttgarter Milchversorgung zeigte sich dem Andrang gewachsen und schenkte sogar in zweckmäßigen Papierflaschen heißen Kakao aus. So vollzog sich die Umzug (?) der Hunderttausend  ohne ernstliche Schwierigkeiten. Nur der Zusammenhalt des Familienlebens war mehrfach gelockert. Der Großlautsprecher hatte „alle Hände voll“ zu tun, um verloren gegangene Kinder und Eltern wieder zusammenzuführen.

Die Abfahrt Punkt 15.23 Uhr erhob sich der „Graf Zeppelin“ wieder in die Lüfte. Ohne Manöver. Stolz und leicht, in raschem Anstieg. An Stelle der Ausgestiegenden hatten zahlreiche andere das Glück, die Rückfahrt mitzumachen. Unter der Obhut von Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager und Rechtsrat Dr.Hirzel waren Frau Bolz, Beyerle, Dehlinger, Rau, Kälin, Klaiber, Staiger und das „Gretle von Strümpfelbach“ (richtiger Name Sophie Schorn, war eine deutsche Hörfunkpionierin und Schriftstellerin) reingestiegen. So kam es, daß man verschiedene bekannte Herren, die man sonst nur in ihrer Eigenschaft als hohe Würdenträger kennt, brav als Familienväter, die Kinder an der Hand oder auf dem Arm, wieder zurückkehren sah. Auch das ein erfreulich bezeichnendes Bild vom schwäbischen Zeppelin-Empfang. Alles wendet nun rückwärts. Die Tausende von Menschen und die Tausenden von Fahrzeugen. Allein rund Tausend hatte die Plakettenfahrt des Touringklubs herbeigeführt. Die Stadt Böblingen und die Verkehrspolizei hatten vorsorglich und gut für Parkplätze und auch für die Verkehrsregelung gesorgt. Von Unfällen ist nichts ernsthaftes bekannt geworden. Nur zwei Postwagen haben Malheur gehabt. Auch sie ohne ernsthafte Beschädigungen der Insassen. Schließlich kam man auch wieder nach Hause. Mit 1000 Vehikeln: Bahn, Auto, Bus, Motorrad, Fahrrad und den sagenhaften pedes apostolorum. Durch flammend farbigen Herbstwald, am Abend eines denkwürdigen, harmonisch und ohne ernste Störung verlaufenen Tages. So hat Stuttgart seinen Zeppelin begrüßt.

Hamburger Nachrichten 9.November 1929 – Bericht: Die Süddeutschlandfahrt des „Grafen Zeppelin“ Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist am Sonntagmorgen um 9.04 Uhr unter Führung von Dr.Eckener zu der geplanten „Stuttgart-Böblingen-Fahrt aufgestiegen. An Bord befanden sich 85 Fahrgäste. Nach vierstündiger Fahrt landete das Luftschiff auf dem Stuttgarter Flugplatz Böblingen. Etwa 50.000 Zuschauer warteten auf die Ankunft des Luftschiffes. Durch einen Großlautsprecher war es möglich geworden, das erste funkenthelephonische Gespräch zwischen der Funkstation des Luftschiffes und dem Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart mit angehören. Dieser Versuch ist überraschend gut geglückt. Von Bord wurde kurz der Fahrtverlauf geschildert. Die Reise ging vom Bodensee nach Basel über Freiburg, allerdings zum großen Teil durch Wolken, dann über Offenburg nach Baden-Baden und wieder zurück nach Stuttgart. Der württembergische Staatspräsident Dr. Bolz begrüßte Dr. Eckener, Dr. Maybach und Dr. Dürr. Als zweiter begrüßte der Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager das Luftschiff. Nach 2 1/2 stündigem Aufenthalt stieg das Luftschiff um 15.20 Uhr zum Rückflug nach Friedrichshafen auf. Bis über Stuttgart hinaus wurde das Luftschiff von einem Flugzeuggeschwader begleitet. Das Festhalten des Luftschiffes in Böblingen bot keinerlei Schwierigkeiten, da nur ein mäßiger Bodenwind herrschte und das Luftschiff gut ausgewogen war. Um 16.58 Uhr ist das Luftschiff wieder in Friedrichshafen – zum ersten Mal ohne Haltetaue – glatt gelandet. Erst, als es auf dem Boden war, wurden die Haltetaue zum Einschleppen abgeworfen.

Bei der Landung in Friedrichshafen gab es einen Unfall: Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ hat am Sonntag auch seine zweite Landungsfahrt, und zwar diejenige nach dem Flugplatz Böblingen bei Stuttgart durchführen können. Die Fahrt verlief programmmäßig, jedoch ereignete sich bei der Landung  des Luftschiffes auf dem Werftgelände ein Unfall. Das Luftschiff setzte von Osten her zur Landung an, die es dann auch um 16.58 Uhr durchgeführt hatte. Als „Graf Zeppelin“ eingeholt war, ging das Luftschiff, das ziemlich viel Ballast abgeworfen hatte, noch einmal mit dem Heck in die Höhe. Dabei wurden fünf Mann, die die hintere Motorgondel festhielten, in die Höhe gezogen. Zwei sprangen rechtzeitig ab, zwei konnten in die Gondel hineingezogen werden, der Fünfte, ein Schleifer, namens Weger, vom Zeppelindorf, ließ sich los, bevor er eingeholt werden konnte und stürzte aus einer Höhe von 10-20 Metern ab. Nach der Überführung ins Krankenhaus wurden ziemlich schwere Quetschungen festgestellt. ( Die Lichtensteiner Nachrichten vom 7. November 1929)

Pressemeldung (Der Hamburger Anzeiger Dezember 1929) Weitere Landungsfahrten fanden statt am 3.November nach Böblingen (Flughafen Stuttgart) und  am 10. November nach Frankfurt am Main. Württemberg ist ja das Stammland der Zeppeline, und so wollte man den Stuttgartern das prächtige Luftschiff einmal in der Nähe zeigen. Für die Hin- und auch für die Rückfahrten konnte Post mitgegeben werden. Die Postsachen erhielten den Lufthafen-Poststempel von Böblingen bzw Frankfurt a.M.

Eine lustige Erzählung Zu der Rückfahrt von Böblingen nach Friedrichshafen gibt es eine nette Story aus „Unser harmonisches Familienleben in der Johannisstraße 71 (Stuttgart)“, aufgeschrieben von Heidi Schüle, der Tochter von Alexander Eckener, dem Bruder des Hugo Eckener…(aus dem Familienarchiv von Christian Wolter) Bemerkung: Luftschiff LZ 3 muß natürlich LZ 127 heißen

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