Fliegerhorst

…. von 1938 bis 1945

Vorwort

Bereits im ersten Aufstellungsprogramm des Reichsverkehrsministeriums vom 16. März 1933 war Böblingen als Standort für eine Aufklärungsstaffel vorgesehen. Als Regierungsrat Biser vom Württ. Wirtschaftsministerium erfuhr, dass das Reich beabsichtigte, ein Gelände, das an den Böblinger Flugplatz anstieß, und das in jenen Tagen schon vom württembergischen Staat erworben wurde, um es für „Luftfahrtzwecke“ zu benützen, handelte er unverzüglich. Biser berief auf 6. September 1933 eine Besprechung ein, bei der er die beiden Vertreter der Stadt Stuttgart, Bürgermeister Dr.Sigloch und Oberbaurat Ling, mit den herannahenden Umwälzungen bekannt machte und darauf hinwies, dass sich der Flugplatz Böblingen in Eigentum des Deutschen Reiches befinde und an die Luwag verpachtet sei. Er befürchte, falls das Reich den vom Land Württemberg neuerworbenen Platz in Betrieb nähme, sich im Laufe der Zeit das Bedürfnis herausstellen werde, dass das Reich den gesamten Flugplatz für eigene Zwecke benötige. Da es alsdann voraussichtlich ausgeschlossen sei, diesen Platz weiterhin noch als Flughafen für den zivilen Flugverkehr zu benützen, müsse erwogen werden, ob nicht die Stadt Stuttgart einen neuen Flughafen erwerbe und entsprechend ausbaue. Es wäre deshalb zunächst die grundsätzliche Frage zu entscheiden, ob die Stadt Stuttgart bereit sei, für den Flugverkehr einen neuen Platz zur Verfügung zu stellen.

So sahen sich die Landeshauptstadt Stuttgart und die Luwag sowie die weiter beteiligten Stellen vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt. Es war zunächst also keinesfalls der zu kleine Flugplatz, wie man es hernach wahrhaben wollte, der zu Verlegung des Flughafens Veranlassung gab, sondern der Wunsch der Reichsregierung, sich unbedingt die Fluganlagen zu sichern. Freilich konnte der Böblinger Flugplatz den gesteigerten Anforderungen, die der Luftverkehr nun in immer stärkeren Maße an einen Verkehrsflughafen stellte, auf die Dauer nicht entsprechen. Auch haben sich später noch andere Gründe herausgestellt, die sich im Zusammenhang mit den Planungsarbeiten ergaben.

Für die Stadt Stuttgart konnte die Anlegung eines neuen Flugplatzes, falls sie auf den Vorschlag eingehen sollte, verständlicherweise nur in ihrer nächsten Umgebung in Frage kommen. Regierungsrat Biser schlug deshalb einen Platz in der Nähe von Scharnhausen in Richtung Ruit-Nellingen vor, der in Hauptsache im Besitz des Herzoglichen Rentamts war. Er ging davon aus, dass die Stadt diesen Platz – oder einen sonst gelegenen – erwirbt, planiert, mit den erforderlichen Einrichtungen für Wasser und Elektrizität versieht und die notwendigen Zufahrten erstellt. Der Flugplatz wäre sodann der Luwag – wie dies seither schon der Fall war – pachtweise zur Verfügung zu stellen. Es handelte sich für die Landeshauptstadt immerhin um ein Projekt von 1,5 bis 2 Millionen RM, ohne die Kosten für die neu zu erstellenden Bauten wie Verwaltungsgebäude, Flugzeughallen, Werft, Wohngebäude usw.

So wurde mit dem Bau des neuen Flughafens im Frühjahr 1937 begonnen. Mit der Planung und Oberleitung wurde der Berliner Professor Dr. Sagebiel beauftragt. In einem Vortrag, als er seine Baupläne erläuterte, führte er aus, dass die seitherigen unzulänglichen Verhältnisse und „eine Reihe anderer Gesichtspunkte“ (gemeint war sicher als wichtigster die Umwandlung des Böblinger Flugplatzes in einen Fliegerhorst) für den Entschluss bestimmend gewesen seien, einen neuen Flughafen zu bauen.

Die Firma Klemm nach Echterdingen ?

Bei einem Treffen am 7.Februar 1938 von Hanns Klemm mit dem General der Flieger Sperrle, einem Schulfreund Klemms, machte dieser eine Bemerkung, dass ihm die Firma Klemm Sorgen mache. Er halte Lage der Firma, der von einem Geschwader der Luftwaffe bezogen werden sollte, für unhaltbar und sei sicher, dass dies früher oder später zu großen Unzuträglichkeiten führe. Er bitte Dr. Klemm, Generalmajor Udet oder Generalmajor Bogatsch gegenüber seine Ansicht zum Ausdruck zu bringen. Von einer vorherigen Unterredung von Klemm mit Udet geht hervor, dass die Firma Klemm infolge ihrer Fortschritte auf dem Gebiet des Flugzeugbaus heute wesentlich höher eingeschätzt werde und deshalb eine Verlegung nach Echterdingen geprüft werden sollte.

Aus einem Schreiben des Reichsminister der Luftfahrt an die Wehrwirtschaftsinspektion V in Stuttgart vom 22.März 1938 geht hervor, dass eine Verlegung der Firma nach Echterdingen oder an einen anderen Standort nicht beabsichtigt ist. Begründet wurde das mit den zu hohen Kosten einer Verlegung.

In einem Schreiben des Reichsminister der Luftfahrt am 16. März 1939 wird erneut dem Plan einer Verlegung nicht zugestimmt. Damit blieb Klemm in Böblingen


Mit dem Flughafen Stuttgart-Echterdingen verlor Böblingen seinen Verkehrsflughafen und bekam dafür den Fliegerhorst

Gleichzeitig mit dem Bau des neuen Zivil-Flughafens in Echterdingen begann in Böblingen ab Mai 1936 die Erschließung des zukünftigen Fliegerhorstgeländes zwischen der Sindelfinger Allee und der Eisenbahnlinie nach Sindelfingen.

Anzeige vom 07.06.1937
Organisatorisch war Böblingen bis zum 30.06.1937 dem Wehrkeis V unterstellt, der anschließend im Luftgau VII integriert wurde.

Wegen des moorigen Baugrundes wurden die Kasernengebäude auf tief eingerammte Betonpfähle gestellt. Sie mussten in hektischen Tempo fertigstellt werden, wie auch neue Wohnungen für die Offiziere und Beamten sowie das Befehlsgebäude und dazu eine neue Werfthalle. Dazu musste auch die Rohrmühle weichen. Der folgende Plan von 1940 zeigt das Gelände

Plan (Stadtarchiv Böblingen)

Die Stadtverwaltung bekam mit dem Bau des Fliegerhorstes auch neue Pflichten. Sie musste dafür sorgen, dass die Abwässer entsorgt werden müssen, sodass sie gemeinsam mit Sindelfingen eine gemeinsame Kläranlage bauen mussten. Regierungsbaumeister Schlegel unterbreitete der Stadt Böblingen am 28. Mai 1937 ein Angebot von 110.000 RM Baukosten.

Kläranlage Angebot Plan (Stadtarchiv Böblingen)

In einem Vertrag vom 16. Dezember 1937 mit dem Deutschen Reich verpflichtete sich die Stadt, die Abwässer in die gemeinsame Sammelkläranlage der Städte Böblingen und Sindelfingen einzuleiten und zu klären. Um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen, wurde in Aidlingen ein Wasserwerk gebaut. Eine rege Bautätigkeit entfaltete sich hinter dem Bahnhof und selbst auf dem Flughafengelände. In die 1937 begonnenen Kasernengebäude zogen nach und nach die fliegertechnischen Einheiten, wie die Horstkompanie, Luftnachrichtenkompanie, Werftkompanie und die Baukompanie ein.

Mit dem Einmarsch des Panzer-Regiments 8 am 9. April 1938 wurde Böblingen wieder Garnisonstadt.

Mit dem Einzug des Jagdgeschwaders 52 am 25. April 1939 in Böblingen wurde die Fliegertradition militärisch fortgeführt.

Auf dem Festplatz bei der Turnhalle an der Tübinger Straße wurde das Geschwader von Landrat Dr. Raunecker, von Bürgermeister Dr. Röhm und von Kreisleiter Krohmer mit herzlichen Grußworten in ihrer neuen Fliegergarnison willkommen geheißen.

Vor der offiziellen Übergabe der Fliegerhorstkaserne hatte noch die „Bauleitung Flugplatz Böblingen“ mit einer schön gestalteten Einladung zum Sommerfest am 23. Juli 1938 mit zwangslosem Beisammensein auf der Terrasse des Flughafenhotels, gemeinsamem Essen in der Kantine und abends zu Tanz mit Bewirtung eingeladen. Von der Lufthansa wurden dabei Rundflüge angeboten – zum Preis von drei Reichsmark.

Doch bevor die Fliegersoldaten des Verbandes so richtig heimisch wurden, bekamen sie den Befehl zur Verlegung im Juni nach Bonn-Hangelar. Im September 1939 wurde noch der Stab, die II. Gruppe des Jagdgeschwaders 52  und mehrere Staffeln aufgestellt, ausgerüstet mit der Messerschmitt BF 109 D. Am Anfang bestand die Einheit fast nur auf dem Papier und wurde in den nächsten Monaten mit Reservisten aufgefüllt. Im Oktober wurde die Einheit auf Bf 109 E umgerüstet und nach Mannheim verlegt.

JG52 im Herbst 1939 mit BF 109 E

JG52 im Herbst 1939 mit BF 109 E – Tankwagen

JG52 im Herbst 1939 mit BF 109 E Wartung
JG52 im Herbst 1939 mit BF 109 E und Do 17

Am 1. November 1939 wurde die I. Gruppe des Jagdgeschwaders 54 nach Böblingen verlegt.Sie übernahm die Grenzsicherung am Oberrhein. Der Stab und alle drei Gruppen nahmen im Rahmen des Westfeldzugs geschlossen am Vormarsch bis in den Raum Rouen und Orléans teil. Dazu waren sie dem V. Fliegerkorps der Luftflotte 3 unterstellt.

Von Eutingen kam am 09.02.1940 das Jagdgeschwader 51 und blieb hier bis zum 27.5.1940. Die eingesetzten Maschinen waren wieder die BF 109 E.

1940 JG51 Böblingen Unterkunft der 6.Staffel

1940 JG51 Böblingen Unterstand der 6.Staffel
1940 JG51 Böblingen
1940 JG51 Böblingen
1940 JG51 Böblingen Sport
1940 JG51 Böblingen

Seit 1935 wurde das Sturzkampfflugzeug Junkers Ju 87 laufend weiter verbessert, sodass die Piloten immer wieder umgeschult werden mussten. Dies war in der Zeit von Dezember 1941 bis Ende Januar 1942 der Fall, als das I./St.G. 2 „Immelmann“ nach Böblingen verlegt wurde, um auf den neuen Typ Ju 87 D-1 umzuschulen.

Weitere Fotos aus Böblingens Garnisonszeit

1941 Fliegerhorstkompanie Böblingen (Stadtarchiv Böblingen)
1941
1941-05-01 Direktor Zobel begrüßt Rudolf Hess
Weihnachtsfeier 1941 im Schönbuchsaal
Weihnachtsfeier 1941 im Schönbuchsaal
Weihnachtsfeier 1941 im Schönbuchsaal

1942-03-04 Böblingen Stuka Kopfstand

1942-04-20 Appell „Führergeburtstag“

Die Kasernen, der Fliegerhorst und natürlich das Daimler-Werk zogen mehr und mehr Flieger- und Bombenangriffe der Engländer und Amerikaner auf sich, wobei aber auch die Stadt und Umgebung nicht verschont blieben. Der erste Angriff auf die Stadt erfolgte schon im November 1941. Der Fliegerhorst war erst ab dem 13. April 1944 Ziel der Angriffe. Am 8. Dezember 1944 erfolgte der nächste schwere Bombenangriff durch rund 60Bombenflugzeuge, die insgesamt 135 Tonnen Bomben in verschiedener Größe und Sprengkraft auf den Flugplatz und die Bahnanlagen abgeworfen hatten. Der Fliegerhorst war damit vorerst unbrauchbar. Doch immer wieder wurde eine Start- und Landebahn repariert. So geht aus dem letzten Angriffsbericht vom 19. März 1945 hervor, dass die acht feindlichen Jagdflugzeuge wieder ein Flugzeug schwer und zehn Flugzeuge mittelschwer beschädigt hatten. Opfer waren keine zu beklagen, denn ab März verließen die Soldaten und Zivilbedienstete des Flughafenbereichskommandos nach und nach den Fliegerhorst. Wichtige Einrichtungen wurden vorher noch gesprengt.

In Böblingen wurde der Fliegerhorst mit seiner Kaserne am 22. April von einer französischen Einheit übernommen. Sie brachten hier zuerst die deutschen Kriegsgefangenen unter und richteten ein Internierungslager für Zivilisten sowie ein Lager für rund 3000 heimatlos gewordene Ausländer (DP – displaced persons), in der Mehrheit Polen und Russen, ein. Ab 7. Juni übernahm die US-Army den Kreis Böblingen.

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