Egon Graf von Beroldingen

… der letzte Kommandant des Militärflugplatzes

Egon Graf von Beroldingen

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Maximilian Aigner.

  • Beroldingen, Julius Egon Graf von. Kampfflieger. Flughafenleiter. Sportfunktionär. * 24.9.1885 (Remseck-)Hochberg/Neckar, † 20./21.10.1933 München, begraben in Stuttgart. Einer von vier Söhnen des Oberstleutnants a. D. Clemens Graf von B. (1828-1884) und dessen Ehefrau Alexandrine, geb. von Hügel (1843-1903), einer Tochter des württembergischen Außenministers Karl Eugen Freiherr von Hügel (1805-1870).
  • B. stammte väterlicherseits aus einem alten Adelsgeschlecht, mütterlicherseits aus einer einflussreichen württembergischen Offiziers- und Politikerfamilie. Sein Vater starb noch vor seiner Geburt, sodass B. bei seiner Mutter auf dem Anwesen der Familie in der Gemeinde Hochberg bei Stuttgart aufwuchs. Als Kind zeigte er großes musikalisches und künstlerisches Talent, erlernte früh das Klavierspiel und gab mit seiner Mutter Konzerte; als Jugendlicher soll er in den Kreisen bekannter Schriftsteller wie Hugo von Hofmannsthal verkehrt haben.
  • 1903 Eintritt in das württembergische Militär. Ausbildung beim Feldartillerieregiment Prinz-Regent Luitpold von Bayern (Nr. 29). 1907 Versetzung zum Feldartillerieregiment Nr. 49 im Rang eines Leutnants, 1910 zum Ulanen-Regiment König Wilhelm I. (Nr. 20). 1913 Beförderung zum Oberleutnant und Kommandierung zur Preußischen Kriegsakademie in Berlin. Im August 1914 Versetzung zu den Luftstreitkräften: Flugzeugführer in der Feldfliegerabteilung 8, ab 1915 Staffelführer in der Flugstaffel 15, ab 1916 Führer der Feldfliegerabteilung 22. Insgesamt 46 Kampfeinsätze an Ost- und Westfront. 1914 Beförderung zum Rittmeister. Ab September 1917 Leiter des Böblinger Militärflughafens und Kommandeur der dort stationierten Fliegerersatzabteilung 10. Im Dezember 1918 Rückversetzung zum Ulanenregiment Nr. 20 nach Ludwigsburg.
  • Im Jahr 1919 heiratete B. Nora Kapp von Gültstein (1889-1953), Tochter des Eisenbahnpioniers Otto Kapp von Gültstein (1853-1920). 1920 kam der gemeinsame Sohn Bernd Alexander Otto zur Welt. 1921 trennte sich das Paar einvernehmlich, 1922 folgte die Scheidung. Nora von B. (später in vierter Ehe seit 1932 verh. Winkler) lebte fortan mit ihrem Sohn in Berlin und arbeitete als Journalistin, pflegte aber weiterhin ein freundschaftliches Verhältnis zu B.
  • Schon als Flughafenkommandeur hatte B. großes Interesse am Sport gezeigt und eine Fußballmannschaft („Böblinger Flieger“) auf die Beine gestellt. Nach Kriegsende schloss er sich dem VfB Stuttgart an, und von 1920 bis 1923 war er dessen Vorsitzender. Dabei zeichnete er für die Modernisierung der Infrastruktur des Vereins verantwortlich – besonders durch die Errichtung eines neuen Stadions auf dem Cannstatter Wasen – und legte somit den Grundstein für den Aufstieg des VfB zur württembergischen Spitzenfußballmannschaft.
  • 1925 zog B. nach Ffm. um, wo er zum Direktor der Flugplatz GmbH ernannt wurde und den Ausbau des Rebstockgeländes in Ffm.-Bockenheim zum modernen Großflughafen verantwortete (offizielle Eröffnung im August 1926). Damit setzte er ein wesentliches Element der ambitionierten Verkehrspolitik von Oberbürgermeister Ludwig Landmann um.
  • Ebenfalls 1925 schloss B. sich der Sportgemeinde Eintracht an. 1927 wurde er deren Zweiter Vorsitzender sowie interimsweise Leiter des Spielausschusses und der Boxabteilung. Ende des Jahres 1927 übernahm er das Amt des Ersten Vorsitzenden von Horst Rebenschütz. B. leistete in den folgenden Jahren einen wesentlichen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der Eintracht – u. a. durch eine erfolgreiche Werbekampagne, die sie bis Ende 1928 zum größten Fußballverein der Stadt machte – sowie zu ihrem sportlichen Aufstieg. In die Amtszeit des „Grafen“, wie er respektvoll genannt wurde, fallen viele bedeutende Erfolge, vor allem in der Leichtathletik (zahlreiche deutsche Meistertitel und mehrere Weltrekorde) und im Fußball (fünf Siege in der Bezirksliga Main-Hessen, Gruppe Main, zwei Süddeutsche Meisterschaften und eine Teilnahme am Endspiel um die Deutsche Meisterschaft).
  • Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam dem Rechtskonservativen B. eine maßgebliche Rolle bei der schnellen und widerstandslosen „Selbstgleichschaltung“ von Eintracht Fft. zu. Im April 1933 unterzeichnete er für den Verein die „Stuttgarter Erklärung“, mit der 14 führende süddeutsche Fußballvereine dem NS-Regime ihre Loyalität versicherten. Im gleichen Monat trat B. der NSDAP bei. Am 2.5.1933 stellte eine außerordentliche Versammlung der Eintracht die Verwaltung in einem satzungswidrigen Akt auf das „Führerprinzip“ um und bestätigte B. zunächst kommissarisch im Amt. Auch symbolisch passte sich der Club rasch an, etwa durch die Übernahme der Insignien und Rituale des NS-Staates oder das Umfunktionieren von Fußballspielen zu politischen Propagandaveranstaltungen. Zwar führte die für ihre jüdische Tradition bekannte Eintracht noch bis 1940 keinen „Arierparagraphen“ ein, mehrere jüdische Funktionäre legten jedoch 1933 ihre Ämter nieder, und die Boxer schlossen jüdische Mitglieder aus der Abteilung aus. Im September verabschiedete die Mitgliederversammlung eine neue, den Vorgaben der NS-Reichssportführung entsprechende Satzung und wählte B. einstimmig zum „Vereinsführer“ mit weitreichenden Kompetenzen. B.s Einfluss auf die Entwicklungen des Jahres 1933 ist im Einzelnen schwer nachzuvollziehen; aufgrund seiner herausgehobenen Stellung ist aber davon auszugehen, dass er sie federführend gestaltete.
  • Auf dem Weg in einen Kurzurlaub ließ B. sich im Oktober 1933 wegen einer Gallenblasenerkrankung in eine Münchener Klinik einweisen und unterzog sich einem chirurgischen Eingriff. An dessen Folgen starb er in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober überraschend. Der Tod des beliebten „Grafen“ löste sowohl in Ffm. als auch in Stuttgart Bestürzung aus. Ab 1934 spielten die Eintracht und der VfB jährlich in Hin- und Rückspiel einen Graf-von-Beroldingen-Gedächtnispokal aus, und bis in die 1960er Jahre legten sie gemeinsam Kränze an B.s Grab nieder.
  • 1914 Eisernes Kreuz I. und II. Klasse. Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens. 1923 Ehrenvorsitzender des VfB Stuttgart. 1929 Ehrennadel von Eintracht Fft.

Stationen:  Hochberg – Böblingen – Stuttgart – Frankfurt/Main

Egon Graf von Beroldingen war eine schillernde Persönlichkeit:
  • Kunstinteressierter
  • Militär (vom Ulanenregiment zum Flugplatzkommandanten)
  • Fußballklub-Präsident zweier Fußballvereine
  • Flughafendirektor (Zivil-Flughafen)

….Schlossbesitzer (Schloss Hochberg) ist nun seit 1841 der nachmalige württembergische Außenminister Baron (1805 – 1870). Er hatte sich 1836 mit der russischen Bojarentochter Werestschagina verheiratet, die ihrerseits eine Jugendfreundin von (1814 – 1841) war. Lermontow aber zählt mit Puschkin und Gogol zu den bedeutendsten Vertretern der romantischen Literatur Russlands. Mehrere Alben voller Gedichte und Zeichnungen von der Hand Lermontows hatte die Werestschagina in ihrem Besitz. Russische Wissenschaftler sprechen daher vom „Schatz von Schloss Hochberg“, der allen Nachforschungen zum Trotz bis heute verschollen ist. (1843 – 1903), Tochter des Barons von Hügel und künstlerisch vielseitig begabt, war seit 1876 mit dem Grafen Clemens von Beroldingen (1828 – 1884) vermählt. Nach dessen Tode hielt sie sich viel in Berlin auf und führte dort einen von Literaten gern besuchten musischen Salon. In seinen jungen Jahren pflegte er Umgang mit literarischen Größen der Zeit, mit Rudolf Alexander Schröder beispielsweise und Hugo von Hofmannsthal. Nach seinem frühen Tod wurde das reiche Inventar des Schlosses 1934 versteigert; weit über 500 Kunstgegenstände nannte die Liste der dreitägigen Auktion. Auktionskatalog

Nicht nur in seiner Jugendzeit auf Schloss Hochberg in Remseck, sondern auch während seinen späteren verschie­denen Tätigkeiten entspannte sich Egon Graf von Beroldingen immer wieder bei der Kunst, so auch bei etwa 36 Be­suchen (siehe http://www.gaestebuecher-schloss-neubeuern.de/) bei einem künstlerisch interessierten Freundes­kreis auf Schloss Neubeuern im Inntal. Jakob Burckhardt, der bekannte Schweizer Diplomat und Essayist, hat die besondere Atmosphäre von Schloss Neubeuern in dieser Zeit vielleicht am zutreffendsten formuliert:

„Es gab einen Freundeskreis und da war ein Ort in einer der lieblichsten Gegenden Oberbayerns, und in die­sen Häusern wirkten Frauen, die in wunderbarer Weise diese Freunde vereinigten. Während eines halben Jahrhunderts haben sie eine in dieser Art, in jedem Augenblick offen stehende Gastfreundschaft geboten. Für alle schufen sie eine zweite Heimat, eine Zuflucht für ungestörtes Arbeiten, einen immer zur Verfügung stehenden Treffpunkt hoher, geistiger Geselligkeit; dort fand man Anteil, Verständnis über alle Grenzen, Aufmunterung im Geben wie im Nehmen, und es herrschte ein glückliches, ausgewogenes Vertrauen, zu dem jeder seinen Teil beitrug. Dieser Mittelpunkt hieß Neubeuern ”

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aus Wikepedia gekürzt:

Im Jahr 1882 erwarb Jan Wendelstadt, Sohn des Gründers des „Darmstädter Bankvereins Ferdinand Wendelstadt“ und einer holländischen Aristokratin, das Schloss Neubeuern. Im Jahr 1893 heiratete dieser Julie Gräfin von Degenfeld-Schonburg, eine Hofdame der Königin von Württemberg, die dadurch als Freifrau von Wendelstadt Herrin auf Schloss Neubeuern wurde. Damit war der Anschluss an den schwäbisch-deutschen Uradel vollzogen. Nach dem Vorbild etwa eines Großherzogs umgab sich der frisch gebackene Baron mit einem lockeren Kreis von Künstlern und Intellektuellen aus ganz Deutschland. Als Vermittler fungierte dabei der Schwager seiner jungen Frau Julie, der Kunstkenner, Politiker und Wirtschaftsmann Eberhard von Bodenhausen, eine Schlüsselfigur im kulturellen Leben der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Aus seinem Wirkungskreis in Berlin, Wien oder Weimar brachte er illustre Gäste ins abgelegene Schloss. Zu den regelmäßig wiederkehrenden Besuchern zählten der weltläu­fige Kunstförderer Harry Graf Kessler, der Jugendstilkünstler Henry van de Velde, der auch einige Räume des Schlosses ausgestaltete, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder, die Begründer des Insel-Verlags, oder der Spätklassiker Rudolf Borchardt. Hugo von Hofmannsthal, Annette Kolb, Eugen Roth, Carl Burckhardt, Henry von Heiseler, der Musiker und Komponist Max von Schillings. Dazu kamen bekannte süddeutsche Maler wie Carl Arnold, Bruno Paul, Leo Putz, Paul Hoecker, Arnold Böcklin, Alfred Haushofer, Franz von Lenbach, Walter Püttner, Ludwig von Hofmann, Hans Rossmann, Josef Sattler und Franz von Stuck.

Am 17. Juni 1919 heiratete Beroldingen in Potsdam die vier Jahre jüngere Nora Sylvia Eugénie Kapp von Gültstein, Tochter von Otto Kapp von Gültstein, dem Erbauer der Bagdadbahn. Im Februar 1920 kommt in Berlin Sohn Bernd Alexander Otto zur Welt.

Nora mit SohnNora mit Sohn Alexander

Im Oktober 1920 stirbt Dr.h.c. Karl Otto Kapp von Gültstein. An der Beisetzung der Asche in der Gültsteiner Urnenhalle am 26. Oktober 1920 nimmt außer Kapp’s Tochter und ihrem Mann nur eine kleine Gemeinderatsabordnung teil. Im Januar 1921 lässt Nora den Gültsteiner Haushalt auflösen, das sogenannte Schloß des Ingenieurs wird an die Landesfürsorgebehörde verkauft, die dort ein Erholungsheim für Kriegsversehrte einrichtet. Damit verlieren sich die Spuren der Familie Kapp von Gültstein in der Gemeinde. Die Ehe mit Egon Graf von Beroldingen wird 1922 wegen unterschiedlichen Interessen geschieden. Egon Graf von Beroldingen war ein Mann des Sports, der Fliegerei und der Kunst. Nora wollte sich politisch, kulturell und journalistisch betätigen.

Nora zieht am 1. April 1922 mit ihrem Sohn nach Garmisch. Während der Inflation verlor Nora ihr Vermögen. Am 28. November 1925 zog sie nach Berlin, wo sie als Journalistin arbeitet. In den dreißiger Jahren machte sie sich als Veranstalterin von politischen Salons einen Namen, an denen zahlreiche Politiker, Diplomaten, Wissenschaftler und Vertreter der Wirtschaft regelmäßig teilnehmen. Von 1926 bis 1930 gehörte sie der deutschen Delegation beim Völkerbund an. Am 06. Juli 1932 heiratet Nora den Historiker Martin Winkler. 1933 wird Nora die journalistische Tätigkeit untersagt, erst 1945 kann sie wieder journalistisch tätig werden. Neben ihrem unermüdlichen Einsatz für die Völkerverständigung setzte sie sich vor allem für die Rechte der Frauen ein.  Am 19. August 1949 wird die Ehe mit Winkler geschieden. Am 18. Oktober 1953 verstirbt sie in Garmisch-Partenkirchen.


Militär

am 29. September 1903 trat Egon Graf von Beroldingen in das Feldartillerieregiment 29 Prinz-Regent Luitpold von Bayern ein. 1907, jetzt schon als Leutnant, wurde er zum Feldartellerieregiment 49, im Oktober 1910 zum Ulanenregiment 20 König Wilhelm I. versetzt. ende Januar 1913 wurde er zum Oberstleutnant befördert und im Oktober 1913 zur Preußischen Kriegsakademie in Berlin kommandiert. Mit der deutschen Mobilmachung im August 1914 wurde er zu den Luftstreitkräften versetzt. Hier kam er zunächst als Flugzeugführer in der Feldfliegerabteilung 8, ab Dezember 1915 als Staffelführer in der Flugstaffel 15, ab Juli 1916 schließlich als Führer der Feldfliegerabteilung 22 zum Einsatz. Insgesamt nahm er während dieser Jahre an 46 Einsätzen an Ost- und Westfront teil, unter anderem von März bis April 1916 in Verdun und von Juli bis November an der Somme. Für seine Leistungen erhielt er bereits 1914 das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse, das Ritterkreuz des württembergischen Militärverdienstordens sowie die Beförderung zum Rittmeister. Seine letzten Fliegereinsätze absolvierte Beroldingen von Mai bis September 1917 bei Stellungskämpfen in der Gegend von Reims.

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Am 13. September 1917 wurde er Kommandant des Böblinger Militärflughafens und damit der Fliegereratzsabtelung 10 bis zur Auflösung bei Ende des I.Weltkriegs. Über diese Zeit wird im Hauptbeitrag berichtet.

Am 17. Juni 1919 heiratete er in Potsdam die vier Jahre jüngere Nora Sylvia Eugénie Kapp von Gültstein, Tochter von Otto Kapp von Gültstein, dem Erbauer der Bagdadbahn. Im Februar 1920 kommt in Berlin Sohn Bernd Alexander Otto zur Welt. Im Oktober 1920 stirbt Dr.h.c. Karl Otto Kapp von Gültstein. An der Beisetzung der Asche in der Gültsteiner Urnenhalle am 26. Oktober 1920 nimmt außer Kapp’s Tochter und ihrem Mann nur eine kleine Gemeinderatsabordnung teil. Im Januar 1921 lässt Nora den Gültsteiner Haushalt auflösen, das sogenannte Schloss des Ingenieurs wird an die Landesfürsorgebehörde verkauft, die dort ein Erholungsheim für Kriegsversehrte einrichtet. Damit verlieren sich die Spuren der Familie Kapp von Gültstein in der Gemeinde. Die Ehe mit Egon Graf von Beroldingen wird 1922 wegen unterschiedlichen Interessen geschieden. Egon Graf von Beroldingen war ein Mann des Sports, der Fliegerei und der Kunst. Nora wollte sich politisch, kulturell und journalistisch betätigen.


Fußball

Fußball-Präsident VfB Stuttgart 1919 bis 1923

                       alle Passagen aus hefleswetzkick

Durch Wilhelm Moser, der in der Mannschaft der Böblinger Flieger Mittelläufer spielte, kam der VfB erstmals mit Graf von Beroldingen in Berührung. Aus dieser ersten Bekanntschaft mit dem Fliegerkommandeur wurde bald eine enge Verbindung dieses hochherzigen Förderers des Sports mit dem VfB. Dann gelang es Jule Dempfs persönlicher Initiative, Graf von Beroldingen als Mitglied für den VfB zu gewinnen. Aber als reines Repräsentationsschild wollte der Graf nicht wirken; sein Wunsch und Wille ging vielmehr dahin, an verantwortlicher Stelle im Verein mitzuarbeiten. So kam es ganz selbstverständlich dazu, dass Graf von Beroldingen den Vorsitz im VfB von Dr. Gustav Schumm übernahm, den er dann von 1919 bis 1923 führte. Der „Graf“, wie man ihn innerhalb des Vereins vertraut und zugleich respektvoll nannte, war in einer bewegten Zeit zum VfB gekommen, 1918, bei Kriegsende, als eine revolutionäre Stimmung im Lande die Gefühle aufkochen ließ und der Herrschaft des Adels ein Ende machte. Er sah nach dem Krieg im Sport eine Möglichkeit, der deutschen Jugend ein Feld zur körperlichen wie geistigen Ertüchtigung zu bereiten. Gleichzeitig förderte er das gesellschaftliche Renommee des VfB Stuttgart, dessen Mitglieder es wurmte, dass den Stuttgarter Kickers seinerzeit in dieser Beziehung ein höherer Rang zugesprochen wurde. Nun aber war ein Graf als Vorsitzender ein hervorragender Repräsentant. Und Beroldingen packte an. Unter seiner Mitwirkung entstand eine neue Platzanlage auf dem Wasen, der berühmte Platz bei den drei Pappeln, der bis Mitte der dreißiger Jahre Heimstatt des VfB blieb. Auch die Jugendarbeit und die Talentförderung wurde durch ihn stark ausgebaut. Graf von Beroldingen bemühte sich auch persönlich um ein harmonisches Zusammenleben der VfB-Familie. Unvergesslich bleibt uns ein wohlgelungener Unterhaltungsabend im Kursaal, den er in eigener Regie durchführte und mit jungen Künstlern aus den Reihen der Aktiven bestritt.

Dazu noch ein Artikel aus der Vereinszeitung Stadion aktuell 2007/2008: Als der VfB im Laufe des Jubiläumsjahres 1923 beschloss, trotz aller finanzieller Schwierigkeiten die Vereinszeitung früherer Jahre wieder zu begründen, so auch aus der Überzeugung heraus, dass der Verein zu groß geworden war, um alles im direkten Gespräch auszuhandeln. In der ersten Nummer im Frühjahr 1924 richtete der Ehrenvorsitzende Egon Graf von Beroldingen u.a. folgende Worte an die Mitglieder:

„Sorgen des Alltags, vielleicht der Mangel an Mitarbeitern und anderes mehr hat es bislang gehindert, diese V.f.B.-Zeitung wieder ins Leben zu rufen, die uns alles, was unsere große Familie angeht, immer wieder vor Augen führen soll. Alle Begebnisse des Sports, alle Ereignisse in der Familie des Vereins, alle Anweisungen der Vereinsleitung, die bisher nur wenigen zugänglich waren, und auch zuletzt alle die Mängel, die nicht verschwiegen werden dürfen, sollen hier ihren Widerhall finden.“ Der Ehrenvorsitzende deutet an, es ist eine Familie, bei der aber nicht alles harmonisch verläuft, wie im „richtigen“ Leben eben auch. Friede, Freude, Eierkuchen, das gibt es auch in einem Sportverein nicht zu aller Zeit. Man streitet auch im VfB, der – laut Beroldingen – an einem „Erzübel“ krankt: „… zu viel hinter den Kulissen Kritik und zu wenig offenes Urteil: dies ist von Segen, jenes zum Verderb.     Hier (in den Vereinsnachrichten) haben Sie nun und hat ein jeder das Recht und die Pflicht, frei seine Meinung zu äußern…“

Der VfB kam mit Beroldingen nach den mageren Kriegsjahren wieder richtig in Schwung. Standesdünkel lagen dem Grafen fern. So wird er in der Gedächtnisausgabe mit dem Ausspruch zitiert, den er des Öfteren gegenüber Julius Dempf, seinem Vorstandskollegen, machte: „Mein lieber Dempf,was für einen Berufdas einzelne Mitglied hat, ist mir ganz gleich, er muß nur ein anständiger Sportsmann sein und vor allen Dingen Charakter besitzen.“

Am 8. Juli 1921 bestätigten die VfB-Mitglieder Egon Graf von Beroldingen als Vereinsvorsitzenden und spra­chen ihm einmütig das Vertrauen aus. Im Vorfeld der geplanten Ligareform 1923/1924, in der die Zahl der Erstligisten um die Hälfte reduziert werden sollte, musste der VfB in der Saison 1922/1923 in die 2. Liga absteigen. Zu unserem tiefsten Bedauern musste uns unser 1. Vorsitzender, Graf von Beroldingen, verlassen. Er siedelte aus beruflichen Gründen nach Frankfurt über, wo er die Leitung des dortigen Flugplatzes übernahm. Noch einmal richtete der Graf mannhafte Worte an seine VfBler anlässlich unserer Feier des 30-jährigen Bestehens, die wir in schlichtem Rahmen im Stuttgarter Kunstgebäude abhielten (das 25-Jahre-Jubiläum war dem Krieg zum Opfer gefallen). Der Verein verlieh dem Scheidenden die Würde eines Ehrenvorsitzenden. Beim Festabend anlässlich des 30 . VfB-Jubiläums im kleinen Kursaal in Form eines wohlgelungenen Her­renabends wurde unser Ehrenvorsitzender Graf von Beroldingen mit Jubel begrüßt; seine Ansprache löste spontanen Beifall aus. Im Auftrag des Vereins konnte er Otto Vollmer, den Senior der Aktiven, mit einem kunstvoll gestalteten Ehrenbrief auszeichnen. Noch einmal fand der Graf zu Herzen gehende, zündende Worte anderntags bei der Gefallenen-Gedenkfeier und beim Aufmarsch der Aktiven sämtlicher Abteilun­gen auf unserem Sportfeld. Der Kontakt zu seinem VfB blieb auch während der Frankfurter Zeit erhalten. Dort wurde Beroldingen Vorsitzender von Eintracht Frankfurt, was zwischen den beiden Vereinen eine be­sondere Beziehung herstellte. Der VfB machte ihn zum Ehrenvorsitzenden und man hielt die Beziehung lebendig. Es kam zu Besuchen in beiden Richtungen, beim 40-jährigen Jubiläum, 1933, war Egon Graf von Beroldingen wie einst präsent.

Flughafendirektor Frankfurt/Main 1924 bis 1933

1924 zog Beroldingen nach Frankfurt, wo er Direktor des Frankfurter Flughafens wurde und ihn zum zweitwichtigsten deutschen Flughafen nach Berlin ausbaute.

1930er Jahre, Archivfoto, Egon Graf von Beroldingen, Flughafen Frankfurt-Rebstock

Fußball-Präsident Eintracht Frankfurt

       Von 1928-1933 war von Beroldingen auch Vorsitzender von   „Eintracht Frankfurt“. (aus „der Graf aß gerne noch ein Schnitzel“)

Von Beroldingen wurde 1923 (?) in Frankfurt Geschäftsführer der Flugplatz Rebstock GmbH und war maßgeblich verantwortlich für die rasante Entwicklung des Luftverkehrs. Dem Sport blieb er verbunden, er wurde Mitglied bei der Eintracht – und mit offenen Armen empfangen. Am Riederwald schätzte man seine wirtschaftliche Kompetenz und seine Geselligkeit. 1927 übernahm von Beroldingen, der gelegentlich auch an Turnieren der Tennisabteilung teilnahm, den Vorsitz des Vereins. Unter seiner Regie entwickelte sich die Eintracht zu einer Spitzenmannschaft, die 1932 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreichte. Auch den Kontakt zum VfB Stuttgart, bei dem er zum Ehrenvorsitzenden ernannt wurde, ließ von Beroldingen nicht abbrechen. Karl Kraus, genannt „Micki“, der als Kind seit Anfang der 1930er Jahre bei der Eintracht spielte, erinnert sich noch gut an den Grafen: „Wie man es damals als Bub gesehen hat, ein vornehmer Herr, ein bisschen beleibt. Aber eine riesige, vornehme Ausstrahlung hat er gehabt.“ Anneliese Schneider, die Tochter des ehemaligen Vereinsgaststättenpächters Heinrich Kraushaar, erinnert sich mehr an die gesellige Seite des Grafen, der gerne Pfeife rauchte: „Wenn der Graf spät abends zu uns in die Wirtschaft kam, hat meine Mutter immer dafür gesorgt, dass er noch ein Schnitzel bekommen hat.“ Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erging an die Vereine die Anweisung, nur Personen in die Vereinsführung zu berufen, „deren Gesinnung, persönliche Eignung und Untade­ligkeit außer Zweifel steht.“ Egon Graf von Beroldingen, der laut zeitgenössischen Berichten mit Ministerpräsident Göring befreundet war, schien geeignet, die nun vonseiten der Politik vergebenen Bedingungen zu erfüllen und wurde im September 1933 bei einer außerordentlichen Haupt­versammlung im Amt bestätigt. Wie sich der Graf beispielsweise gegenüber dem Schatzmeister Hugo Reiss verhalten hat, der seinen Posten wegen seines jüdischen Glaubens aufgeben musste, ist nicht bekannt.

Mit Beginn des Nationalsozialismus in Deutschland wuchs auch dessen Einfluss auf die Fußballvereine. In dem Buch „Stürmer für Deutschland 1933 bis 1945“ wird u.a. von Beroldingen wie folgt erwähnt: Bei Eintracht Frankfurt beispielsweise können Juden vor 1933 ohne Probleme in leitende Positio­nen ge­langen. Die Finanzen des Vereins verwaltet Hugo Reiss als Schatzmeister, er sitzt auch im Vorstand. Doch ab Januar 1933 stellt die Eintracht um. Äußert der Verein nach dem freiwilligen Austritt eines langjährigen jüdischen Mitglied im April 1933 noch Betroffenheit darüber, „daß Sie infolge der politischen Verhältnisse in unserem Vaterlande Ihren Austritt erklärt haben“, so unter­zeichnet er im gleichen Monat ebenfalls die Resolution süddeutscher Clubs, in der diese die Ent­fernung von Juden aus den Vereinen fordern und die nationalsozialistische Regierung ihrer treuen Gefolgschaft versichern.

Drei Wochen bevor Reichssportführer Tschammer in seinen Leitsätzen zur Zukunft des Sportes die Durch­führung des Führerprinzips in den Verbänden offiziell fordert, gibt sich die Eintracht eine neue Struktur. Eine Versammlung von Ehrenmitgliedern, Ehrenspiel-führern und älteren Mitglie­dern ernennt den bisheri­gen Vorsitzenden Egon Graf von Beroldingen zum kommissarischen Vor­sitzenden und beschließt: „Der Verein wird heute nach dem Führerprinzip geführt“. Eine schriftli­che Satzungsänderung erfolgt aber noch nicht, denn die Versammlung wartet die angekündigten neuen Richtlinien des Reichssportführers für die Vereine ab. Der dennoch mit Führervollmachten ausgestattete alte neue Eintrachts-Vorsitzende von Beroldingen beruft auf dieser Versammlung auch seine Mitarbeiter. Der jüdische langjährige Schatzmeis­ter findet sich nicht mehr darunter. Ende des Jahres schaltet sich die EINTRACHT dann auch offiziell gleich. Mit „Sieg-Heil-Rufen“ und dem „Horst-Wessel-Lied“ verabschiedet sich der Verein von seiner langjährigen Tradition. Nach dem Tod des bisherigen Vereinsvorsitzenden Graf von Beroldingen gelangt mit dem SA-Mann Hans Söhngen ein Vereinsführer an die Spitze der Eintracht, der den ehemals als „Juden­club“ titulierten Verein auf Parteilinie bringt…..


TOD  (aus der Graf aß gerne noch ein Schnitzel)

In der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 1933 verstarb Egon Graf von Beroldingen im Alter von 48 Jahren überraschend an den Folgen einer Gallenblasenerkrankung. Die Beerdigung, zu der auch viele Vertreter der Eintracht anreisten, fand am 25. Oktober 1933 auf dem Stuttgarter Prag-Fried­hof statt. Während eine Fliegerstaffel aus Böblingen über dem Friedhof kreiste, hielt die erste Fuß­ballmannschaft des VfB Stuttgart am Sarg die Totenwache. In der Vereinszeitung der Eintracht wurden dem verstorbenen Vorsitzenden vier Seiten gewidmet, unter den mehr als sechzig eingehenden Kondolenzschreiben war auch ein Beileidsschreiben von Hugo Reiss. Vier Wochen lang herrschte am Riederwald Vereinstrauer, während der sämtliche Vergnügungsveranstaltungen ausblieben und die Mannschaften mit Trauerflor spielten. In den folgenden Jahren gedachten die Eintracht und der VfB gemeinsam des verstorbenen Vorsitzenden. Zweimal jährlich spielten beide Vereine den „Beroldingen-Pokal“ aus. Der silberne Pokal ist eines der wenigen Erinnerungsstücke, welche die Zer­störung des Riederwalds im Zweiten Weltkrieg überlebt haben.

(Anmerkung: Am 13.Mai 1934 kam es in Stuttgart zur ersten Begegnung. 5:2 für die Hessen. Am 26. August 1934 war der VfB in Frankfurt mit 2:0 siegreich. Am 25.April 1936 zeigte sich in Stuttgart wiederum die Eintracht überlegen, erneut mit 5:2. Beim letzten Pokalspiel in Stuttgart am 26. Dezember 1936 siegten wiederum die Hessen mit 3:2)

In der Vereinszeitung des Vfb Stuttgart HefleswetzKick wird über die Trauerfeier folgendes berichtet: Tod unseres Ehrenvorsitzenden Graf von Beroldingen „Große Bestürzung und Trauer löste der unerwartete Tod unseres Ehrenvorsitzenden Graf von Beroldingen in der VfB-Familie aus. In der Chirurgischen Klinik in München erlag der verehrte Graf auf der Höhe seines Lebens im Oktober 1933 einer Gallensteinoperation. Die Bedeutung dieses aufrechten Menschen und Sportführers haben wir an anderer Stelle gewürdigt. Unsere erste Mannschaft hielt dem Toten die Ehrenwache. Kein Ereignis in der langen Geschichte des VfB vereinte so viele VfBler, Alte und Junge, wie der Heimgang dieses von allen verehrten Mannes. Viel zu klein war die Halle des Krematoriums auf dem Pragfriedhof für die vielhundertköpfige Trauergemeinde. Die Beliebtheit und Wertschätzung des Toten kam in einer Reihe ehrender Nachrufe beredt zum Ausdruck. Ergreifend die Abschiedsworte seines Frontkameraden von der Feldflieger-Abteilung 8, der ihn nicht nur als den besten Flugzeugführer, sondern auch als den allezeit hilfsbereiten Freund und Menschen ehrte. Hans Kiener würdigte Werk und Leben des Grafen im VfB und widmete dem so jäh Dahingegangenen zum Abschied den Lorbeer im Namen des Vereins. „Wir haben unseren Besten verloren.“ Auch Eintracht Frankfurt und der Fußball-Sport-Verein Frankfurt legten dem verdienten Sportführer den Lorbeer auf das Grab. In strömendem Regen, flankiert von den Aktiven des VfB im Sportdress, wurde die Bahre mit der sterblichen Hülle des Entschlafenen zur Familiengruft der Grafen von Beroldingen getragen. Die Ehrenliste unserer Toten trägt fortan auch den Namen unseres Ehrenvorsitzenden zum Zeichen dankbarer Erinnerung an den Mann, dessen Wirken aus der Entwicklung unseres Vereins nicht wegzudenken ist.“

In einem anderen Bericht des VfB heißt es: Die erste Mannschaft hielt dem Toten die Ehrenwache. Kein Ereignis in der langen Geschichte des VfB vereinte so viele VfBler, Alte und Junge, wie der Heimgang dieses von allen verehrten Mannes. Viel zu klein war die Halle des Krematoriums auf dem Pragfriedhof für die vielhundertköpfige Trauergemeinde. Die Beliebtheit und Wertschätzung des Toten kam in einer Reihe ehrender Nachrufe beredt zum Ausdruck. Ergreifend die Abschiedsworte seines Frontkameraden von der Feldflieger-Abteilung 8, der ihn nicht nur als den besten Flugzeugführer, sondern auch als den allezeit hilfsbereiten Freund und Menschen ehrte. Hans Kiener würdigte Werk und Leben des Grafen im VfB und widmete dem so jäh Dahingegangenen zum Abschied den Lorbeer im Namen des Vereins. „Wir haben unseren Besten verloren.“ Auch Eintracht Frankfurt und der Fußball-Sport-Verein Frankfurt legten dem verdienten Sportführer den Lorbeer auf das Grab.

In strömendem Regen, flankiert von den Aktiven des VfB im Sportdress, wurde die Bahre mit der sterblichen Hülle des Entschlafenen zur Familiengruft der Grafen von Beroldingen getragen. Nach dem Tode von Graf von Beroldingen widmete Hans Kiener folgende Worte in einer Gedenkschrift:  „Durch seine kluge Einsicht in Menschen und Dinge, durch seine überragende Persönlichkeit und seine Liebe zum Sport gewann der Graf in Kürze die Herzen aller VfBler. Seiner Tatkraft war es zu danken, dass sich der Mitgliederstand in kurzer Zeit bedeutend erhöhte. Die für den Wiederaufbau so dringend nötige Kleinarbeit bewältigte er selbst. Jede Übung, jedes Wettspiel, jedes Sportfest wurde durch seine Anwesenheit beeinflusst, speziell der Jugendabteilung war er ein eifriger Förderer. Selbst bei der kleinsten Versammlung war er mit Rat und Tat zur Stelle. Er legte den Grund für die weitere erfolgreiche Entwicklung des Vereins zu seiner heutigen Größe.“


Anläßlich des Todes veröffentlichte der VfB Stuttgart eine Gedenkbroschüre, in der u.a. die zwei Fotocollagen enthalten sind (mit freundlicher Genehmigung Dr.Florian Gauß, Archivar VfB Stuttgart)

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